The Project Gutenberg EBook of Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park, by Georg Liebusch This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park Author: Georg Liebusch Editor: E. Petzold Release Date: July 3, 2016 [EBook #52483] Language: German Character set encoding: UTF-8 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SAGEN UND BILDER AUS MUSKAU *** Produced by the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by SLUB: Sächsische Landesbibliothek - Staats - und Universitätsbibliothek Dresden at http://www.slub-dresden.de )
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Von
Georg Liebusch,
weiland Diaconus und Rector zu Muskau.
Zweite Auflage
unverändert herausgegeben von
E. Petzold,
königl. prinzl. Niederländischer Park- und Gartendirector a. D.
Dresden,
Verlag von v. Zahn & Jaensch.
1885.
Die vorliegenden Sagen und Bilder aus Muskau und dem Park sind bei dem Studium der Geschichte der Standesherrschaft aufgezeichnet worden. Sie wollen kein genau zusammenhängendes Ganze sein, sondern nur einzelne Züge aus der Vergangenheit, aus welcher die Gegenwart erwachsen ist. Wie es in dem herrlichen Park, der Schloß und Stadt umfängt, manche seltner besuchte, einsame Partie giebt, welche dennoch ihre eigenthümlichen Reize hat und eine reiche Fernsicht gewährt; so auch in der Geschichte Muskaus. — Und so ist es versucht worden, Bilder zu zeichnen aus den Zeiten, an welche nur noch in der Sage eine Erinnerung ist; aus den Zeiten, wo die frommen, edlen Burggrafen zu Dohna, die Reichsgrafen von Callenberg, väterlich über der Herrschaft walteten, bis zu den Tagen, wo der Genius des Fürsten Pückler-Muskau die Fluren um Stadt und Schloß zur reinsten Vollendung verklärte, und bis dahin, wo der Standesherrschaft das Glück wurde, einem milden, Königlichen Prinzen, dem Prinzen Friedrich der Niederlande, zu gehören. Mögen die Sagen und Bilder Blicke bringen durch den Schleier der Vergangenheit! Mögen sie Liebe wecken zur freundlichen Heimath!
Muskau, den 8. Februar 1860.
Der Verfasser.
Die vorliegende Schrift wurde seiner Zeit mehr zum eigenen Gebrauch und für einen kleineren Kreis von Freunden des Muskauer Parks geschrieben, sie wurde nur in wenigen Exemplaren gedruckt und ist durch den Buchhandel gar nicht verbreitet worden.
Bei dem Weltruf den der Muskauer Park sich mit Recht erworben und bei dem Interesse für denselben im größeren Publikum, ist der Wunsch laut geworden, diese Aufzeichnungen der Vergessenheit zu entreißen und sie auch weiteren Kreisen zugänglich zu machen, was sie auch in hohem Maße verdienen. Sie erscheinen unverändert.
Um so lieber habe ich dazu die Hand geboten, als mein eigenes Leben von Jugend auf, als ein Schüler des verewigten Fürsten Pückler, vertraut mit dessen Intentionen, und da ich später, lange Jahre hindurch dem Park als Director vorzustehen die Ehre gehabt — mit diesem und mit Muskau vielfach verwachsen ist.
Vieles hat sich seit dem ersten Erscheinen dieser Schrift geändert. Der durch die Bande der Verwandtschaft mir nahe stehende Verfasser, welcher sich eines weitverbreitetem wohlverdienten Rufes als Forscher, in der Gelehrtenwelt erfreute, starb im kräftigsten Mannesalter als Königl. Seminardirector zu Schlüchtern den 14. April 1878; wenige Jahre später wurde auch der hohe Besitzer der Standesherrschaft Seine Königliche Hoheit Prinz Friedrich der Niederlande dessen hoher Aegide die volle Entwickelung des Parks zu danken ist, zu Seinen Vätern versammelt.
Der Besitz von Muskau ist in andere Hände übergegangen! —
Blasewitz-Dresden, 1. August 1885.
E. Petzold.
Seite | ||
I. | Des Parks Entstehen | 1 |
II. | Die erste Nachtigall | 5 |
III. | Die Weissagung der Eichen | 7 |
IV. | Die Wehklage | 10 |
V. | Das böse Ufer | 13 |
VI. | Die Ludki | 15 |
VII. | Die Bergkirche | 17 |
VIII. | Der Heerd des Herrn | 20 |
IX. | Die standesherrliche Gruft | 22 |
X. | Die Taube des Schlosses | 26 |
XI. | Die Thränenwiese | 28 |
XII. | Der Fremdling unter den Todten | 31 |
XIII. | Das Jagdschloß | 33 |
XIV. | Die Spiegelung | 42 |
XV. | Die Todte | 44 |
XVI. | Die Umarmung | 46 |
XVII. | Die Heimath | 49 |
XVIII. | Der Feuerschein | 56 |
XIX. | Das Bad | 59 |
XX. | Das Zapfenhäuschen | 63 |
XXI. | Sonst und Jetzt | 67 |
XXII. | Des Parks Erhaltung | 79 |
Der liebliche Frühling nahte wiederum der heimathlichen Lausitz. Feierliches Glockengeläute durchtönte die heilige Osternacht den Morgen begrüßend, an welchem der Heiland auferstanden ist. Nach alter, slavischer Sitte gingen die Mädchen des Dorfes schweigend zu dem Bache, das heilbringende Osterwasser zu schöpfen, ritt der Knecht zu dem Teiche, die Pferde zu waschen, damit sie in der Arbeit des Sommers besser ausdauern sollten. Jung und Alt hatte schon das Lager verlassen, um in Andacht und Freude die Sonne des Ostermorgens zu schauen, die da in fröhlicherem Hüpfen dem Horizonte entsteigt. — Die erwachende Natur durchwehte mächtig des Lenzes Lebensodem. Frischer Duft ergoß sich vom Walde durch die Flur. Voller schwoll die Knospe. Feuriger schlugen in sich erneuender Daseinsfülle die Pulse der Schöpfung; es klopfte ihr Herz; es war als wenn sie, die stumme, Rede und Sprache erhalten sollte: — doch ach! das Loos der Natur ist geheimnißvolles Schweigen, und nur Wenigen ist es vergönnt, sie dennoch zu verstehen.
In jener herrlichen, heiligen Frühlingsnacht entstiegen die Geister der Bäume, die in ihnen das grüne Leben schaffen, den Kronen, den Gipfeln derselben. Sie eilten zu einer Wiese unweit der Neiße, in deren Mitte sich ein Hügel gleich einer Rednerbühne erhob. Dichte Nebel lagerten sich um die geheimnißvolle, feierliche Versammlung. Die Dryas einer majestätischen Eiche hatte den Vorsitz. Sie begann also zu der zahlreichen Versammlung zu reden.
„Mit reichem Grün schmücken wir Bäume und Sträucher die Lande, die Gauen Deutschlands, die Fluren der Lausitz.[S. 2] Da umsäumet ihr, Erlen, den grünen, blumendurchwirkten Teppich der Wiesen; da neigt ihr euch, Weiden, zum Bache herab, zu grüßen seine entrauschenden Wellen; da stehen wir Eichen in ungebeugter Kraft gleich alten Patriarchen, gleich Helden des Epos; da breitest du, Linde, weithin deine Aeste aus in der Mitte der Dorfaue, und unter deinem grünen Baldachin versammeln sich die Bewohner des Ortes; da wechselt ihr, Buchen, Ulmen und Birken; da habt ihr, Kiefern und Fichten, weite Strecken bedeckt und selbst dem Sande der Gegend bringt ihr mitleidig das Immergrün, euer Dasein an seine Oede kettend. In unserm Schatten erquickt sich der Müde; in unserm unerschöpflichen Lebensmuthe werden Grambeladene wieder froh auf Erden. In die Freiheit der Haine und Fluren flüchtet sich so Mancher aus dem Regelzwange des Lebens; in der feierlichen Stille des Waldes malet heller die Erinnerung ihre Bilder. Umfangen von dem Grün der Bäume erschließt sich das Herz reicher in Gefühlen, und aus dem mystischen Dunkel derselben bricht hervor die Quelle reinster Freuden. — Aber welche paradiesische Pracht müßte sich entfalten, wenn wir zusammenträten zu lieblich wechselnden Gruppen. Welch’ herrliches Bild würde sich also zeichnen sonder Griffel und Pinsel! Wie würde ihm der Jahreszeiten Wechsel, der Sonne verschiedener Stand immer neue Schönheit bringen! Welche Reize vermöchten wir zu zeigen auf heimathlicher Flur, über welcher so oft das Scepter gewechselt! — Jüngst der Asche entstiegen ist unweit der Neiße ein freundliches Städtchen. Edle, fromme Grafen haben Jahrhunderte über demselben väterlich gewaltet. Dort in dem Thale, welches sie liebten, lasset uns schaffen ein freundliches, herrliches Revier! Wie von frischen, grünen Kränzen sei Schloß und Stadt fortan umschlungen! Gleich dem Eilande aus einförmiger Meeresfluth erhebe sich auf dieser Flur ein herrlicher Garten, und schauet ihn einst der Wanderer, dann gehe ihm das Herz auf für die Schönheit, Harmonie und stille, anspruchslose Größe der Natur! — Doch was einst werden soll, das zeige sich jetzt in geisterentworfnem, zauberhaften Plane! Was entstehen soll, stelle sich dar in meisterhafter Vollendung! Es entrolle sich in dieser heiligen Stunde des schönen Gartens hehres Bild!“ —
Also sprach in majestätischer Würde die Dryas der Eiche. Alsbald aber wogten emsig und geschäftig durcheinander die Geister der Bäume, Sträucher und Blumen. Sie folgten dem Gesetze der Harmonie und Schönheit, welchem die Natur allenthalben zu huldigen strebt, dem Gesetze der stillen Würde und Erhabenheit. Das Verwandte suchte das Verwandte. Wie Kinder an die Eltern lehnten sich in geistergleichen Nebelgestalten liebevoll niedere Pflanzen an höhere zu eng verschlungenen Gruppen. Freier und abgesonderter stand ein riesiger Eichbaum, eine mächtige Linde, eine himmelanstrebende Fichte, sich selbst genug in ihres Daseins Kraft und Fülle. Gleich der Insel im Meere tauchte in reizender Fernsicht aus dem Wiesengrün eine liebliche Baumgruppe empor. Buchen und Birken und anderes Gehölz reihte sich an des Berges Lehne wie zu einem Chore zusammen, zu singen dem Thale seines Pflanzenlebens harmonische Weise. An des Gartens Grenze schlossen sich Bäume und Sträucher eng aneinander, dem Blicke die prosareiche Wirklichkeit außerhalb desselben verhüllend. Eichen traten zusammen zum Haine und reichten sich die knochigen, markigen Arme. Durch der Pflanzen Mischung und Gruppirung schrieben sich seltene Epen, hochbegeisterte Oden, Elegien und liebliche Idylle. Blumen entfalteten ihre Farbenpracht an der Stätte, wo die weilen sollten, in deren Auge sich alle jene Schönheit spiegeln würde. Es war ein wunderbares Drängen, Ordnen und Anziehen. Immer reicher und harmonischer gestaltete sich das Ganze; immer verklärter und vollendeter trat die Landschaft hervor. Es war ein Weben, ein Schaffen, ein Werden, eine Schönheit, Pracht und Herrlichkeit wie ein Wiederschein der auf Erden nie geschauten; — aber es enteilten die Stunden der Nacht, und der erste Strahl der aufgehenden Sonne fiel in das wunderbare Gewebe, so daß es zerriß und verschwand.
Auf weichem Pfühl schlummerte in jener Osternacht in dem Schlosse seiner Ahnen ein edler, reichbegabter Jüngling. Der Traum öffnete sein inneres Auge; es schaute hinein in die paradiesische Pracht. Wonne um Wonne durchbebte ob des Anblickes sein Wesen, und in unnennbarer Freude schlug sein Herz. Voller und voller saugte sich seine Seele des erhabenen Bildes und ihrer selbst vergessend, war sie ganz in den Reich[S. 4]thum des Erschauten versenkt; aber der erste Sonnenstrahl drang weckend durch das Fenster, und das herrliche, liebliche Traumbild verschwand. — „Was du geschaut,“ so rief es mächtig in ihm, „das mußt du suchen, das mußt du schaffen und bilden!“ Nimmer konnte er seitdem des herrlichen Traumbildes vergessen. Bot ihm die Gegenwart wenig Befriedigung, so hing seine Seele an dem, was sie einst geschaut. Durchzog er, der oft an Fernweh gelitten, fremde Länder, dann fand er wohl einzelne Partien des herrlichen, reichen Bildes, aber nicht das liebliche Ganze. Er erhielt sein Erbe, er schritt zur Ausführung des Bildes auf heimathlicher Flur. Es stand vor seiner Seele, da er Baum an Baum fügte, da er See’n entstehen und Hügel sinken hieß, da düstere, beengende Gebäude stürzten wie durch Erdbebens Gewalt; es stand vor seiner Seele, wenn er mitten unter seinen gelehrigen Arbeitern weilte, die des Meisters Pläne ahnten, wenn er in des Winters Tagen den Trieben des kommenden Lenzes ihre Bahnen anwies; immer reicher und vollkommener verwirklichte es sich, und des Parks Pracht und Herrlichkeit hat geschaffen des Zauberbildes Macht. — Einst kam ein Tag, wo er seine Herrschaft, sein grünes Reich auf immer verließ. Es folgte ihm das Bild, geschaut in heiliger Osternacht, und von Neuem mußte er sie aufwühlen die sandige Erde der Lausitz, um sie umzuwandeln zum Paradiese nach dem erhabenen Bilde.
Also ist der Park angelegt worden durch den Enkel der edlen Gräfin de la Chaux Montauban de la Tour du Pin, die einst bei ihrem Einzuge in die neue Heimath von dem Landvolke gegrüßt wurde, indem es in unübersehbarem Spalier grüne, frische Reiser in den Händen hielt.
Anmerk. Talent und Liebe zur Landschafts-Gärtnerei sind dem Fürsten angeboren. Hinter dem Theater, unweit des Schlosses hat er in frühster Jugend mit seinen Gespielen Gärtchen angelegt. Dr. Jäger, Leben des Fürsten, S. 28. — Eine Geschichte der Entstehung des Parks findet sich bei Petzold: der Park v. M. S. 22 ff. Als der eigentliche Geburtstag des Parks möchte wohl der 1. Mai 1815 anzusehen sein, wo der Standesherr, aus England zurückgekehrt, um die nöthigen Grundstücke zu erwerben, die größten Opfer brachte. — Ueber die Beharrlichkeit des Fürsten bei allen Schwierigkeiten seines Werks s. Dr. Jäger S. 334, 89. Von seiner hohen Begeisterung[S. 5] für die Natur und dem tiefen Verständniß ihrer Schönheit zeigt sein ganzes Leben und Schaffen. Von dem Gedanken einer idealen Landschaft ist der Fürst nie losgekommen. Als er sich 1834 am Fuße der Pyrenäen niederlassen wollte, sollte sich ihm die großartige Natur der Gegend zum Paradiese gestalten. Dr. Jäger, S. 222. Auch in dem Thale Kyparissia, an einer Riesencypresse desselben, wollte er den Wanderstab niederlegen. Schon war wegen des Ankaufes der Gegend nach Athen berichtet worden. Dr. Jäger S. 276. — Ueber die Empfangsfeierlichkeiten der Gräfin de la Tour du Pin, der Gemahlin Herrmanns v. Callenb., s. Laus. Mag. 2 Stck. v. 31. Jan. 1770. Die Fichtenzweige in den Händen des Landsvolkes waren eine sinnige Anspielung auf den Namen der Gräfin. —
Die laubholzarme Umgebung Muskaus war einst nicht eine Heimath des Sängers der Sänger, der liederreichen Nachtigall. Nur bisweilen, auf dem Durchzuge, hörte man eine derselben hier schlagen.
In dem großen Saale des Schlosses stand auf prächtigem Katafalk ein Sarg. Bürger der Stadt hielten die Ehrenwache bei dem Todten. Die Kerzen brannten nieder, jede ein Bild des vergehenden Lebens. Tiefes Schweigen herrschte um den Erblaßten in des Schlosses Räumen; doch außerhalb desselben arbeiteten in jener herrlichen Mainacht emsiger die Kräfte des Lebens, und süßer Hauch ging aus von Blume, Strauch und Baum. Freude hatte der wiederkehrende Lenz allenthalben gebracht, aber auch tiefen Schmerz den Bewohnern dieser Gegend; denn der Todte auf seinem Paradebette war der Herr der Herrschaft, der edle, fromme Graf Herrmann von Callenberg; der sich durch väterliche Sorge und Liebe ein bleibendes Denkmal in den Herzen errichtet. — Muskau war 1766 in Asche gesunken, — durch ihn hatte es sich verjüngt erhoben; die wendische Kirche war durch die Flammen zerstört worden, — er hatte sie wieder aufgebaut; die Theurung und anderes Ungemach war groß geworden, — der menschenfreundliche Graf hatte getröstet und geholfen, und selbst als er seine Herrschaft[S. 6] frühzeitig an seine einzige Tochter abgegeben hatte, war er geblieben Muskaus Freude und Beglücker. Der geliebte Graf war — eine Leiche. Muskau fühlte die Größe des Verlustes, manche Thräne floß dem edlen, biedern Todten, und es war der Abend vor seiner Beisetzung in der Gruft der wendischen Kirche, — in dem Gotteshause, das er gebaut, sollte seine Ruhestätte sein — ein herrlicher Maiabend, welcher die Gefühle der Wehmuth und der Trauer gleich Blüthen zu Todtenkränzen so vielen Herzen brachte. Unauslöschliche Liebe zu dem Entschlafenen führte Manchen, der ihm sein Glück dankte, in die Nähe des Schlosses. Dankbare wollten den feierlichen Kerzenglanz schauen, der sich über das edle Todtenantlitz ergoß, das einst in Wohlwollen und Milde gestrahlt hatte. Und schweigend blickten sie in nächtlicher Stunde nach den Fenstern des Saales, in welchem der Sarg stand. Bilder der Vergangenheit zogen an ihrer Seele vorüber. Wie die schöne, volle Blüthe, die der Abend geschlossen, war des Herzens stummer Schmerz, wie der Thau, welcher an ihr perlt, so die unbemerkte Thräne der Wehmuth. Es war eine feierliche, heilige Stunde. —
Unweit des Schlosses im ergrünenden Gebüsch erhob sich lieblicher Gesang. Immer voller schwoll das süße, elegische Lied. Ihr selber unbewußt hat die Nachtigall die Töne für alle Stimmungen des Herzens, für Freud’ und Leid. Eine derselben hatte an jenem herrlichen, feierlichen Frühlings-Abende die Klage um den edlen Todten angestimmt. Und durch des Liedes Macht erschlossen sich Herzen in süßem Schmerze zum Troste über das Loos der Vergänglichkeit, welches auch dem Hohen und Edlen fällt und feierten also den letzten Abend, den der Graf in dem Schlosse seiner Väter über der Erde weilte.
Wo die Nachtigall einmal reinen, tiefen Gefühlen der Menschenbrust ihre Stimme geliehen hat, da, sagt man, wird ihr eine Heimath. Seit jenem Abende, wo der Letzte aus dem ruhmreichen Geschlechte der Callenberge, welchen die Standesherrschaft gehört hatte, vor seiner Beisetzung auf dem Paradebette lag, von Vielen tief betrauert und beweint, giebt es hier Nachtigallen. Die Gebüsche um das Schloß und die Stadt[S. 7] mehrten sich, immer größer ward der Sänger Chor, und in des Lenzes Tagen durchtönet der Nachtigallen Lied den ergrünenden Park. Lauschest du aber an einem Maiabende ihren mannigfachen Melodien, dann vermagst du auch wohl jene elegischen Töne zu vernehmen, in welchen einst der erste Sänger in Muskaus Umgebung klagte um den frommen, edlen Grafen Herrmann von Callenberg. —
Anmerk. G. A. H. Herrmann, Reichsgraf v. Callenberg, st. d. 4. Mai 1795. D. 9. Mai paradirte seine Leiche im großen Saale des Schlosses. Wolf: Merkw. Begebenh. in der gräfl. Callenb. und Pück. Fam. referirt: „Als etwas Außerordentliches muß ich noch bemerken, daß an jenem Abende eine Nachtigall herrlich schlug, da sich doch keine vorher hier gehalten hat.“ Will man den Biedermann, ausgezeichnet als Familienvater, als Standesherr, als Präsident der oberl. Gesellsch. d. W. kennen lernen, so lese man u. A. nur seine Rede bei der Grundstein-Legung zur wendischen Kirche. Langner: Actenmäß. Bericht v. d. Grundleg., d. Bau u. d. Einweihg. der wend. Kirche, Budissin 1788. Der nachmalige Generalsuperint. Brescius hat ihm die Standrede am Sarge gehalten. Die Denkschrift für die oberl. Gesellsch d. W. ist vom Hofrath Röhde. —
Es gab einst eine Zeit, wo der Zusammenhang des Menschen mit der Natur ein weit innigerer war, denn jetzt. Da war sie der lebensvollste Spiegel seiner eigenen Zustände; da wurde sie hineingezogen wie eine Freundin in die Angelegenheiten seines Herzens und Lebens; da lauschte man andächtig ihren bedeutungsvollen Stimmen, denn in ihr fühlte man sich der Gottheit näher. —
Der Baum der Bäume ist der heilige Eichbaum. In stiller Majestät überragt er den Wald. Unversiegbar ist des Riesen Mark. Er trotzet den Stürmen und Wettern in seiner Kraft, und nur des Himmels Blitz vermag ihn zu stürzen. Zu dem reinen, freien Aether hebt er sein Haupt empor, und geheimnißvoll rauscht und flüstert es in seinen Zweigen. In heiligen[S. 8] Eichenhainen verehrten die Germanen ihre Gottheiten. Dort weissagten ihre Priester; dort war es prophetischen Seelen vergönnt, der Zukunft Nahen zu vernehmen. Bekannt sind die Weissagungen der Velleda, die sie, eine Jungfrau, in den brukterischen Eichenwäldern empfangen, als sie die Seele des batavischen Freiheitskrieges wurde wie Civilis der Arm desselben; bekannt sind die Worte, welche der Dichter der Johanna d’Arc in den Mund legt: „Hätt’ es nie in deinen Zweigen, heil’ge Eiche! mir gerauscht!“, und Vieles, was die Zukunft barg, trat Seelen näher in dem mystischen Dunkel der heiligen Eichen Deutschlands. Auch auf hiesiger Flur giebt es viele, alte Eichen. Der Fürst hat diese Fürsten unter den Bäumen in Ehrfurcht geschützet. Sie stehen wie uralte, grüne Monumente einer fernen Vergangenheit, in welcher die Töne der deutschen Sprache hier noch selten gehört wurden. Den Sorbenwenden hatten die Eichen besonders für das Familienleben eine weissagungsvolle Bedeutung. —
Dort stehen zwei mächtige Eichen an des Hügels Rande. Freundlich grüßen sie zwei andere, und also grüßet sich Paar um Paar auf der Flur. Aber wer hat euch gepflanzt, Gefährten eines tausendjährigen Alters? — „Die Liebe hat uns gepflanzet, die einst wie jetzt Menschenherzen mächtig vereinte und von der Zukunft ersehntes Glück hoffte!“ Dämmerte der Morgen des Hochzeittages, dann in der heiligen, festlichen Frühe gingen die Braut und der Bräutigam hinaus auf die Flur. Niemand begleitete sie als der Genuß einer heiligen, wonnereichen Stunde. Und voll süßen Grauens und freudiger Hoffnung pflanzten sie zwei junge Eichbäume neben einander, ein Bild, eine Weissagung ihres eigenen, eng verketteten Daseins zu sein. Sie übergaben sie den schützenden Mächten des Himmels. — Wuchsen sie fröhlich empor, so sollte des Bundes Glück gedeihen; breiteten sich ihre Aeste und Zweige aus, so sollte des Hauses Segen sich mehren; standen sie fest in Stürmen und Wettern, so sollte die Treue und Liebe nicht wanken. Doch welkte die eine dahin, so war der trennende Tod nicht fern. An der verwaist und einsam grünenden trauerte dann oft der Zurückgebliebene, gedachte er des entschwundenen Glückes, und der Erinnerung war das Genommene nicht fern. Wuchsen[S. 9] aber jene bedeutungsvollen Eichen kräftig empor, dann in dem Sinken der Sonne, wenn das Tagewerk auf der Flur vollbracht war, schlugen dort wie unter dem Bogen eines Tempels Herzen im Danke gegen die Gottheit für das Glück, das sie so reich gespendet, blühten dort gleich Frühlingsblumen die seligen Gefühle auf, welche einst die Seele erfüllten, als die Bäume gepflanzt wurden, und wie einst in der Hoffnung, war man glücklich in der Erfüllung derselben an den weissagenden Eichen.
Längst sind diejenigen, welche jene Eichbäume hie und da paarweise gepflanzet und sich ihrer gefreut haben, Staub und Asche geworden. Geschlechter sind gekommen und gegangen; noch immer grünen in frischer Pracht die uralten Doppeleichen der Gegend. Ihre Wurzeln sind in dem Boden in einander verschlungen, ihre Aeste in einander gewachsen; ihr Rauschen tönt zusammen wie Akkorde gleichgestimmter Seelen. Sie sind, wie einst Weissagungen, so jetzt mächtige, erhabene Zeugen, daß was einst in Liebe und Hoffnung begonnen ward, gekommen ist — das Glück derer, die sie pflanzten, und mit demselben ihr uraltes, Alles überdauerndes, eigenes Daseinsglück. —
Und wiederum stehen dort im Park und auf der Flur mächtige Eichen nebeneinander wie Brüder und Schwestern, nicht merklich verschieden in ihrem Alter. Auch diese pflanzte die Sitte, der Glaube, in welchem man von ihnen auf des Lebens Freuden und Leiden schloß. Begrüßte die Mutter zum ersten Male das Neugeborene, war die Stunde gekommen, wo sich sein Leben vor der Eltern Blicken zu entwickeln begann; dann ging der Vater auf seine Flur, die bedeutungsvolle, weissagende Eiche zu pflanzen. Das Leben des Baumes trat in Beziehung zu dem des Kindes; zwischen beiden war Sympathie. Und um die Wette gediehen beide, die Pflanze an der Brust der Natur, das Kind an dem Herzen der Mutter. In erhöhter Hoffnung blickten die Eltern von dem Bäumchen auf ihren Liebling, wenn es ergrünte, in Bangen, wenn sein Wachsthum gehemmt ward. Doch die Kräfte des Lebens entwickelten beide. — Und abermals an einem Tage hoher Freude pflanzte der Vater einen jungen Eichbaum, ein Bruder zu sein des neben ihm grünenden; denn wiederum war die Familie um[S. 10] einen Sprößling reicher geworden. Fester war seine Hoffnung; denn des Eichbaums grünende Weissagung erfüllte sich an dem Erstgeborenen. Und also reihte sich schwesterlich und brüderlich Baum an Baum. — Aber in jener Baumgruppe ist eine Lücke, und kaum erreichen die Aeste einander! Der bedeutungsvolle Eichbaum ging ein, und der Tod entriß den Bruder dem Kreise der Geschwister. Wehen die Abendwinde durch der Bäume Zweige, dann ist ihr Rauschen wie die Todtenklage um den Gefallenen; sinken in den Tagen des Herbstes die Blätter, dann sind sie wie Todtenkränze, welche verwelken. Doch der Lenz bringt neue Eichenreiser, und treu ehren die verschwisterten Pflanzen das Andenken der früh gesunkenen.
Herrliche Eichengruppen der Gegend, tröstende Bilder erfüllter Weissagungen, verwirklichter Hoffnungen! Wohl seid ihr ehrwürdig in eurem hohen Alter, mehr noch aber deshalb, weil Menschenherzen an euch in Dank und Freude geschlagen haben. — Der Fürst hat viele dieser Eichengruppen in den Bereich seines Parks gezogen. In ihrer Beziehung zu einander liegt schon von selbst die reinste Harmonie und das schönste Ebenmaß; denn sie pflanzte ja einst die Hoffnung und Liebe. Jene Eichengruppen sind wie uralte, heilige Familienbilder der Vorzeit, wie Patriarchen der Fluren.
Anmerk. Ueber Civilis und Velleda s. Wolfg. Menzel Gesch. d. Deutschen. S. 60. Die Worte der Joh. d’Arc stehen Act. 4. Auft. 1. — Eine Blume oder einen Kranz zu tragen und sich so in beständigem Rapport mit der Natur zu erhalten, ist die Sitte vieler Nationen, besonders der slavischen. Den Bräutigam schmückt bei den Wenden der Rosmarin, die Braut die Raute. In der Eigenthümlichkeit der Pflanze, in ihrem Wachsen, Blühen und Welken sah man eine Wiederspiegelung eigener Zustände. Diese Auffassung der Vegetation hat bei den Slaven den Orakelzusammenhang mit den Pflanzen vermittelt. Hierzu gehört die Weissagung der Eichen. Ueber Aehnliches s. Bratranek, Aesthetik der Pflanzenwelt. S. 106. 86. f. —
Die beiden Neißeufer im Park sind vor Kurzem da, wo der Eichbusch ist, durch eine Brücke, welche sich kühn und leicht[S. 11] über den Fluß schlägt, verbunden worden — ein Werk des jetzigen Protectors und Mehrers des grünen Reiches des Fürsten. Sonst war dort ein alter, hölzerner, schwankender Steg. Mancher hat an demselben, wenn die Neiße voller ging, seinen Tod in den Wellen gefunden; aber vor dem Unglücke warnte die Wehklage, obwohl nur von Wenigen, Hellsehenden, bemerkt. Unterhalb der Brücke bildet die Neiße eine kleine Insel. Dichter schlangen sich da einst die Aeste alter Weiden und Erlen in einander, und üppiger wucherte der Nachwuchs empor. Kaum vermochte der Sonnenstrahl das geheimnißvolle, grüne Dunkel zu durchbrechen, und schaute man die zusammengestürzten alten Bäume und Stämme der romantischen Wildniß, so bekam man eine Ahnung, wie es einst in hiesiger Gegend, in dem Neißethale, ausgesehen haben mochte. In jenem Gebüsche hat der Sage nach die Wehklage oft ihre Stimme erhoben vor einem Unglücke. —
Die Sage von der Wehklage — bože sedleško — oder Gottesklage — boža losč — in beiden Lausitzen heimisch, ist ein Ueberrest alt slavischer Religions-Vorstellungen. Die Wehklage ist ein Sendbote guter Gottheiten, ein Schutzengel. Bald hat sie sich gezeigt als eine weißgefiederte Henne, bald als liebliches Kind, bald als eine Frau von Anmuth und Wehmuth in weißem Kleide; denn das Weiß ist bei den Wenden nicht blos die Farbe der Unschuld, sondern auch der Trauer. — War ein Unglück im Anzuge, so ertönten die Klagelaute des Geistes; sollte ein Familienglied sterben, dann setzte sich die Wehklage im Dunkel des Abends vor das Gehöfte, den Todesfall vornweg zu betrauern und zu beweinen. In dem Heulen des Sturmes, in dem Rauschen der Wellen, in dem geheimnißvollen Weben des Nachtwindes vernahm man ihre Stimme, und gar oft zeigte sich der mitleidige, warnende Schutzgeist denen, welchen es vergönnt war, ihn zu schauen, am meisten aber in hiesiger Gegend.
Der Tag nahte heran, an welchem drei Menschen in den Fluthen der Neiße bei der Mühle den Tod finden sollten. Mehrere Tage vorher bei einbrechender Dämmerung hörte der Müller ein ängstliches Klagen und Jammern aus dem Gesträuch am jenseitigen Ufer. „Es betrifft nicht dich, sondern Andere![S. 12]“ lautete ihre Antwort, und gleich einem Nebel verschwand die Wehklage vor seinem Auge, nachdem sie die Opfer des Todes theilnehmend zuvor beklagt hatte. — Auch vor dem Brande 1766, welcher die ganze Stadt in Asche legte, ließ sich die Wehklage oft in dem Hause hören, in welchem die Flammen ausbrechen sollten. Räthselhaftes Heulen durchtönten bald von hier, bald von dort aus das Gebäude, unheimliches Klagen und Jammern wurde immer und immer wieder vernommen, besonders da, wo um Mitternacht der scheidende Tag dem kommenden die Herrschaft übergiebt. — Endlich fragte man den Geist. In heulenden, dumpfen Tönen antwortete er: „Es wird nicht nur bei dir sein, sondern auf allen Gassen!“ Die Wehklage hat gewarnt und geweissagt. Bald war Muskau ein Aschenhaufen. —
Noch immer warnt und weissagt die Wehklage; denn gar mütterlich besorgt ist die Natur um den Menschen durch Anzeichen der Veränderungen und unheilbringende Erscheinungen. Ist Thauwetter im Anzuge, soll das Eis brechen und der Strom schwellen; so verkündet dies ein dumpfes Brausen in den Bäumen. Kreuzen sich die Strömungen in der Luft, will der Wind eine andere Bahn einschlagen, soll Sturm kommen; so zeigt dies oft ein dumpfes Heulen in den Häusern vorher an, die Bewohner derselben mahnend, Feuer und Licht wohl zu bewahren. Steigen die Nebel auf, welche der Gesundheit schaden, so formen sie sich wohl oft der Phantasie zu geistergleichen, weißen Gestalten, welche zu fliehen sind. — Noch immer warnt und weissagt die Wehklage. Denn wie die Natur, welche uns umgiebt, mächtige Veränderungen vorher empfindet und anzeigt, so geheimnißvoll unsre eigene Natur. Bei dem Sinken der Sonne, in der Stille der Nacht hat sich unser oft schon ein Vorgefühl eines nahen Leidens bemächtigt. Selbst ferne Verluste und Todesfälle bewegen in wunderbarer Sympathie das Herz: es beginnt unwillkürlich zu trauern, es stimmen sich wie durch eine unsichtbare Hand die Saiten der Seele zur Klage, und die Natur um uns und in uns ist selbst die warnende, weissagende Wehklage der alten, slavischen Religionen. —
Wie ein Heiligthum jenes Schutzgeistes war das wilde, dichte Gebüsch der Neißinsel im Park. Es warnten des Windes[S. 13] Heulen und der Abendnebel vor der Nacht und den Fluthen der Neiße. Die Stimmen und Gestalten der Natur wurden schlichten Söhnen derselben zu einer göttlichen Macht.
Anmerk. Von der Wehklage erzählt das Volk in der Lausitz, besonders in hiesiger Gegend. Vergl. Horcanski: Laus. Provinzialblätter, Leipzig 1782 3. Stck. S. 260. Ueber den fürchterlichen Brand am 2. April 1766 s. Langner.
Die gesunde Lage Muskaus im Neißthale ist oft gepriesen worden. Gleich der Standesherrschaft ist aber auch die gesammte Lausitz mit ihren vielen, immer grünen Wäldern, mit ihren wechselnden Hügeln und Thälern selten von schweren Krankheiten heimgesucht worden. Ob das Dorf Groß-Voygenz, einst zwischen Stadt und Gablenz gelegen, durch den schwarzen Tod oder im dreißigjährigen Kriege eingegangen ist, läßt sich nicht bestimmen. Warum aber die Pest diese Gegend gemieden hat, giebt folgende Sage an, welche zwar auch anderwärts wiederklingt, hier aber in dieser Form heimisch ist. —
Ein Mann aus einem der Stadt benachbarten Dorfe hatte den ganzen Tag über Holz gefällt, um dem dichten Walde mehr Land zur Wiese abzugewinnen. Es begann dunkel zu werden; er wollte nach Hause gehen. Da durchzogen vom Walde her, gleich Geistern in langen, weißen Gewändern, Nebelstreifen die Flur. Dem Landmann graute. Er beflügelte seine Schritte. Doch länger als sein Fuß war ein langer Nebelstreifen. Es war als hätte er Haupt und Hände. Schon hatte er den Armen erreicht. Mit Centnerlast legte er sich auf seine Schultern, und eine Stimme sprach: „Ich bin die Pest! Du trägst die Pest!“ Heiße Angst erfaßte den Armen, sein Blut begann zu sieden; fieberhaft hämmerten die Pulse, und zahllose Schweißtropfen rannen die Stirn und Wangen herab. Er wandte sich hierhin und dorthin auf der Flur — vergebens; die Pest folgte ihm. Er schüttelte gewaltig, die Last abzuwerfen — vergebens; immer fester umklammerte ihn des Todes Macht. Er eilte vom Thale zum Hügel — vergebens! Wie der heißhungrige Wolf, der[S. 14] seine Zähne in das Genick des Hirsches geschlagen hat, war er zusammengekettet — mit der Pest. In wilder Verzweiflung war er also die Fluren durchjagt und auch die Stunden des Abends. Schon verkündete der Glockenschlag Mitternacht. Da stand er auf einem Hügel vor seinem Dorfe. Längst war das Feuer auf den Kaminen erloschen. Auch seine Hütte umfing tiefer Frieden. Dort schlummerte in der Gesundheit Fülle sein Weib mit den Kindern, die den Vater bei Verwandten wähnten. Ein Tag war froh verlebt, und sein Werk vollbracht. Die Nacht und der Schutz des Himmels walteten über den Schläfern. — Schon wollte sich der Unglückliche seiner Wohnung, den Seinen nahen; doch er wußte, daß er ihnen den Tod brächte, daß er mit ihm einzöge in das Dorf. Ehe dies geschehen sollte, wollte er lieber verlassen sterben auf einsammer Flur. — Und wiederum stürmte er in wilder Verzweiflung von dem Dorfe weg in das Feld und die Nacht hinein. Immer größer wurde seine Angst, immer heftiger sein Schmerz; aber es trieb ihn nicht mehr die Pest allein, sondern auch die Liebe. So hatte er die Neiße erreicht, da, wo jetzt im Park die Hügel jäh zu dem Flusse herabfallen, wo sich der Strom je und je wieder gefahrvolle Tiefen wühlt, wo „das böse Ufer“ ist. Er nahm Abschied vom Leben und sandte den Seinen den letzten Segensgruß; denn er war entschlossen, ein Opfer anstatt vieler zu fallen. Er wollte die Pest mit sich begraben in der Neiße. — Schon wollte er sich in den Strom stürzen, schon schritt er zur That: — da ließ es ihn los. Eine Stimme sprach: „Solche treue, aufopfernde Liebe habe ich nirgends gefunden. Hier darf meine Herrschaft nicht sein!“ Und im Grauen des Morgens zog wiederum ein langer, weißer, geisterhafter Nebelstreifen von der Neiße zu dem nahen Hügel. Der öffnete sich. Dort tauchte die Pest hinab. Der Landmann eilte in den Strahlen der aufgehenden Sonne nach banger Nacht hochbeglückt zu den Seinen. Seitdem hat aber die Pest weder die Standesherrschaft, noch die Lausitz heimgesucht.
Anmerk. Ueber die gesunde Lage des Städtchens s. Peschek, L. Wochenbl. 1790, 81–84. Das Dorf Groß-Voygenz soll noch auf der Schreiberschen Specialkarte v. 1745 angegeben sein. So Past. Halke, handschriftl. Chronik von Gablenz.
In dem langen, blutigen Kampfe der Deutschen gegen die Slaven mochte die dichten, unwegsamen Wälder der Standesherrschaft dem alten Glauben und der Freiheit der Wenden lange Zeit ein Asyl sein. Auch hier findet sich die Sage von den Ludken.
Die Ludki waren kleine, zwergartige Wesen. Sie lebten fern von den Menschen in verborgenen Höhlen, in welchen sie ihre zierlichen Haushaltungen hatten. Die Berge und Hügel sollen die Wohnung jener Unterirdischen gewesen sein, in denen sich Urnen finden; doch werden auch besonders die waldigen, sumpfigen, öden Gegenden als Stätten ihres Weilens von der Sage bezeichnet. Dort leben sie von der Jagd und dem Fischfange und den Früchten der Wildniß, ja wohl auch von etwas Ackerbau und Viehzucht, wenn ihr Aufenthaltsort von Städten und Dörfern weit entfernt war. Die Noth trieb sie bisweilen, die Bewohner benachbarter Dörfer um Lebensmittel zu bitten. Auch borgten sie sich von ihnen allerlei Geräthschaften, als Aexte, Sägen, Schüsseln, Teller u. s. w., welche sie ehrlich, ja oft mit Geschenken wieder brachten. Sie nahten sich meistens des Nachts, in Angst und Furcht. Mischten sich bei Freudenfesten die Menschen bunt durch einander, dann mischten sich auch oft die Ludki unter dieselben, um als Musikanten eine Art Hackebret oder Cymbal mit Tangenten meisterhaft zu spielen, oder wohl gar als Tänzer an dem Feste Antheil zu nehmen. Lange Zeit führten die menschenscheuen und doch menschenfreundlichen Ludki ihr einsames, kümmerliches Leben in den waldigen Verstecken der Gegend. Aber es erhoben sich christliche Kirchen. Der Schall der Glocken drang in die dichten Wälder. Die mächtigen Töne derselben konnten sie nicht vertragen. Sie verschwanden seitdem.
Jene Ludki, welche in den Todtenhügeln wohnten, waren ohne Zweifel die Abgeschiedenen. Sie setzten dort nach dem Glauben der Slaven das irdische Leben in verjüngtem Maaßstabe fort. Bisweilen kamen sie aus dem kümmerlichen Jenseits zu den Menschen in die Kreise ihres früheren Lebens, um sie[S. 16] alsbald wieder zu verlassen. — Aber die ursprüngliche, religiöse Bedeutung der Sage wird von der politischen überwogen. Sie weiset auf eine Zeit hin, in welcher die Freiheit der Slaven durch das Schwert der Germanen den Todesstoß erhielt, an dem sie sich langsam verblutete, und die Ludki in ihren waldigen Verstecken, die dem Glockengeläute wichen, sind die Schemen, die Schatten, die letzten Ueberreste der einst selbständigen, freien Slaven. Ein edler Nationalstolz, Liebe zu den alten Göttern, der Freiheit und dem Vaterlande war einst der Grundzug in dem Charakter der Sorben, der sich in langer, heldenmüthiger Gegenwehr gegen die Deutschen gezeigt hat. Sie unterlagen. Es erhoben sich Burgwarten, und an der Stelle der slavischen Knesen traten deutsche Ritter, welche über die Besiegten herrschten. Edlen Gemüthern, den Führern und Leitern des Volkes, den Vaterlandsfreunden, war ein Leben ohne Freiheit nichts werth. Sie zogen sich zurück in die Einsamkeit und Abgeschiedenheit in den Wäldern. Die große, sinkende Nation hatte nur noch Ludki d. h. Völkchen, welche wohl eine freiwillige Verbannung, nicht aber das Joch der Deutschen ertragen wollten. —
Die dichten Wälder hiesiger Gegend wurden den die Freiheit liebenden Ludken ein sicheres Asyl. Hier mochten sie fort und fort ihre Götter verehren, die ihrem Volke einst Glück und Segen gespendet hatten und von welchen sie die Wiederherstellung der verschwundenen Herrlichkeit desselben erflehten. Hier mochten sie erzählen von Opfern, dem Vaterlande vergeblich gebracht, und manchen Gefallenen beklagen. Schüchtern und heimlich kamen sie zu ihren unterjochten Brüdern, war es, um von ihnen zu empfangen, was ihr Loos erträglich machte, war es, um ihnen zu bringen eine Gabe der Liebe, war es, um zu erfragen, ob sich die Nacht der Knechtschaft nicht irgendwie lichte. Grimm und Wehmuth in den Herzen spielten sie an den Festen, wo der Einzelne in der Menge unbemerkt verschwindet, manch’ altes, heiliges Nationallied, und die Macht der von Wenigen verstandenen Klänge riß nicht nur alte Wunden auf, sondern brachte auch gesunkenen Hoffnungen noch einmal ein kurzes entblühendes Leben. Die Deutschen befestigten ihre Herrschaft. Kirchen um Kirchen wurden gebaut. Das Geläute der Glocken war das Grabgeläute[S. 17] für den heidnischen Glauben und die Freiheit der Slaven. Das Geläute der Glocken war aber auch ein Geläute, welches der Gegend einen neuen Morgen verkündete. Seine Sonne war die Religion des Welterlösers.
Anmerk. Ueber die Ludki s. Anhang zu den Volksliedern der Wenden V. 22. und Chronik der Stadt und des Amts Senftenberg S. 15. f. —
Muskau mit seiner schönen, neuen, deutschen Kirche liegt an dem Fuße an einer langen, von vielen Schluchten durchbrochenen Hügelkette. Da, wo sich das goldene Kreuz des Thurmes, welches einst die selige Frau Fürstin Pückler errichten ließ, bis zur Höhe des Berges erhebt, ist ihm gegenüber ein herrlicher Punkt, von welchem aus der Blick frei über die Stadt und den Park bis zu den Hügeln jenseit der Neiße schweift und den Fluß aufwärts und abwärts, bis sich seine Kraft verliert in der Haiden unübersehbarem, grünen Meere. Dort, nicht weit von des jähen Hügels Rande stehet ein Kirchlein, fast Ruine, ehrwürdig in seinem hohen Alter, eine Mutter der Töchter im Thale. —
Tritt man durch das Thor des Kirchhofes, dessen Bogen der zerstörenden Macht der Zeit widerstand, so sieht man viele Gräber, eine dichte Saat. Um dieselben zieht sich eine alte, starke Mauer aus Feldsteinen. Mitten unter den Gräbern erhebt sich das Kirchlein. Der Thurm bei demselben ist längst zerfallen. Ein schlechtes Breterdach vermag den Wettern nicht zu wehren; doch halten sich noch immer die Bogen über dem Altare. In den Wänden des Schiffes, nahe an dem Simse, sind drei Fenster, durch welche ein spärliches Licht fiel; aber der Altar erglänzte in hellern Strahlen, welche durch mehrere Fenster drangen, und zur Rechten desselben ist die zerfallene Sakristei. Längst ist hier die katholische wie die spätere evangelische Verkündigung des Christenthums verhallt. In den öden Räumen wohnet das Schweigen; doch die rastlos schaffende Natur arbeitet fort über den Trümmern. Um die Kirche und[S. 18] in derselben wächst Moos, Fliedergesträuch und manche Blume zur Zierde der alten, heiligen, verwaisten Stätte, und es ist, als wenn die ergrünende und erblühende Pflanze über dem zerfallenen Gesteine triumphirend fragte: „Vergänglichkeit, wo ist dein Sieg?“
Die Bergkirche wird für die älteste der Herrschaft gehalten. Zeugen ihres hohen Alters waren die drei Glocken derselben. Die mittlere trug eine alte, deutsche Inschrift, die nicht zu lesen war, die kleine die Jahreszahl 1408. Auf den Thurm der neuen Kirche gebracht, schmolzen jene Glocken erst in den Flammen des 2. Aprils 1766. Ein Zeuge ihres hohen Alters ist ihr Bau aus Feldsteinen, ist wohl auch das zerfallende Gewölbe über dem Altare. Ein Zeuge ihres hohen Alters ist sie selbst, die Kapelle; denn nicht die schönen, geräumigen Kirchen, an welchen die Lausitz jetzt so reich ist, waren die ersten gottesdienstlichen Gebäude, sondern die Kapellen, in deren Nähe sich später wie hier größere Kirchen erhoben. Jenes Kirchlein sah das Heidenthum sinken, es überdauerte den Katholicismus hiesiger Gegend. In ihm wollte Lazarus Welck, wenn sein Leben verwelkt wäre, bestattet sein. Dort schläft auch Melchior Tilenus, der erste evangelische Diaconus, neben seinem Collegen. Nachdem am 2. April 1766 die St. Andreas-Kirche abgebrannt, die deutsche aber ausgebrannt war, wurde beinahe 20 Jahre lang der wendische Gottesdienst in der Bergkirche gehalten. Der Gebrauch derselben zu gottesdienstlichen Zwecken hörte auf. Durch des Fürsten Sorge ist sie eine Ruine geworden.[A]
Weder von den Hügeln jenseit der Neiße, noch von einem andern, entfernteren Punkte des Parkes aus gewährt die Kapelle zur Zeit einen deutlichen, schönen Anblick. Ein desto reicherer erschließt sich aber an jener Ruine dem Geiste, welcher an historischen Analogien in eine ferne Vergangenheit dringt, deren Gestalten die Phantasie das Leben bringt. Und es trägt[S. 19] uns jene das Jetzt und Einst verbindende Macht an dem zerfallenden Gemäuer in die Tage, wo sich hier nach hartem Kampfe die erste deutsche Burgwarte erhob, unter deren Schutze der Grund zu der Kapelle gelegt wurde; in die Tage, wo muthige Glaubensboten dem Hügel gegenüber, wo ein slavisches Götzenbild gestürzt worden war, triumphirend das Kreuz aufpflanzten; in die Tage, wo die starke Ummauerung des Friedhofes noch schützen mußte gegen die wiederholten Ueberfälle der Sorben, bis sich ihre Glauben und Freiheit liebenden Ludki vor dem Geläute der Glocken immer tiefer in die Wildniß der Wälder zurückzogen; in die Tage, wo sich Herzen erschlossen dem Lichte der ewigen Wahrheit, welches, wie die Kapelle auf dem Berge weit hinausschaute in das Land, so von da hineinstrahlte in die Wälder der Herrschaft; in die Tage, wo das Kirchlein die Menge der Beter nicht mehr faßte und ihm Töchter erstanden zu seinen Füßen im Thale. —
Geht man von der Ruine bis zu dem nahen, steilen Rande des Berges, so hat man, besonders an einem Frühlingstage, den herrlichsten, reichsten Anblick. Da kann man die Schöpfungen des Fürsten überschauen; da liegen Stadt und Schloß vom Park umfangen im Thale; da treten des schönen Gartens Gruppen, eine lieblicher als die andere, hervor und zusammen zum herrlichen Ganzen; da wechselt nach der Sonne verschiedenem Stande die Beleuchtung; da treibt des Lenzes Kraft Blätter, Knospen und Blüthen: — aber du mußt hinter dich schauen zu der zerfallenden Kapelle, soll sich dir die Freude des Anblicks erhöhen. Denn da wird dir in den Sinn kommen, daß einst des Lenzes Pracht, des Lebens Herrlichkeit wird, was sie ist, — Ruine, Asche, und du wirst dich ihrer freuen, so lange sie währet. — Die Ruine der Bergkirche ist ein herrlicher Punkt der Gegend sowohl durch ihre Lage als auch als elegischer Gegensatz zu der Landschaftsverklärung, die als Park Schloß und Stadt umgiebt.
Anmerk. Neue, eigens geschaffene Ruinen in einem Park haben etwas Komisches; wirkliche Ruinen sind eine Zierde desselben. „Sie erscheinen wie riesige, diesem Boden mit Nothwendigkeit entwachsene Krystalle. Man muß den Instinkt bewundern, mit welchem die ersten Ankömmlinge den Platz für ihre Städte, Dörfer, Burgen und Kirchen[S. 20] wählten.“ Bratranek, Aesthet. d. Pfw. S. 434. Dies gilt auch von der Bergkirche. — Nachrichten über die Bergkirche finden sich in der Muskauischen Kirchen-Zierde von J. C. Crusius, weiland Kantor zu M. — ein seltenes, für die Geschichte der Standesh. wichtiges Werk — in dem kurzen Entwurfe einer oberl. wend. Kirchenhistorie, Budissin 1767 S. 38 — ferner bei Langner, S. 22, 23. — Dr. Jäger, Leben des Fürsten S. 337.
[A] Diese Kirchenruine stand malerisch inmitten uralter prächtiger Linden, sie war mit dieser Umgebung eine große Zierde der Landschaft. Diese Linden wurden im Jahre 1848 von den Bauern des Dorfes Berg, welche die Bäume als ihr Eigenthum beanspruchten, niedergehauen. Durch diesen Vandalismus hat die Ruine ihr jetziges nüchternes und unbedeutendes Ansehn erhalten. Anm. d. Herausgebers.
Im Jahre 1597 hat Wilhelm, Burggraf zu Dohna, die Herrschaft Muskau von dem Kaiser Rudolph II. erblich erkauft. Es war seine erste Sorge, nicht sowohl sich selbst ein bequemes Schloß zu schaffen, als vielmehr vorher dem Herrn zu Ehren eine neue, größere Kirche zu bauen; denn die alte Pfarrkirche, die St. Andreas Kirche, war zu klein geworden für die große Gemeinde. Der Bau mußte verschoben werden. Es fehlte an einer für die Kirche passenden Stelle. Doch Gott, der Herr, wies selbst den Raum zu derselben an.
Das neue Gotteshaus sollte in die Kirchgasse gebaut werden, an die Stätte, wo einst Joachim Lutz, Freiherrlich Callenbergischer Stallmeister, wohnte. Aber so wäre die Kirche dem Berge zu nahe gekommen und deshalb zu dunkel geworden. Da erglühte der 30. Mai 1603, als auch in dem Neißthale Tausende von purpurnen Blüthen prangten, ein Theil der Stadt in hellen, vernichtenden Flammen. Durch unvorsichtiges Fischesieden brach vor dem Schmelzthore, bei dem Kürschner Barthol Buntzen, dessen Haus da stand, wo sonst das rohe Gitterthor unweit des Röhrkastens auf den Kirchhof führte, Feuer aus, welches nicht nur viele Bürgerhäuser, sondern auch die ganze Neustadt, die damals auch den Platz, wo jetzt die Kirche steht, umfaßte, in Asche legte. Durch Gottes Fügung war Raum für die Kirche gewonnen worden. Die Neustädter erhielten Land, weiter hinaus zu bauen. Da, wo ihre Häuser von den Flammen verzehret worden waren, sollte fortan dem Herrn „sein Feuer und Heerd“ an- und aufgerichtet werden.
Ein Heerd des Herrn sollte der Altar werden von der neuen Kirche umschlossen. An dem Oberwerke desselben war einst in kunstvoller Schnitzerei nach dem Geschmacke der Zeit die heilige Geschichte dargestellt, so für uns geschehen, in der Mitte des Altars das Hauptstück derselben, der Herr am Kreuze, der sich selbst für uns geopfert hat. Mächtig wurden in der Erinnerung an die großen Thaten der göttlichen Gnade und Liebe Menschenseelen ergriffen, näher fühlte man sich dem Heiligen und Barmherzigen, und zahllose Opfer, Herzen voll Dank und voll Liebe, sind dem Herrn dargebracht worden an dem Altare der Kirche, seitdem ihm da, wo einst Menschenwohnungen von den Flammen zerstört worden waren, von den frommen Burggrafen von Dohna sein Feuer und Heerd an- und aufgerichtet worden ist.
Den 27. April 1605 in der Woche des Sonntags Miser. Dom. ist der Grundstein zu dem Hause gelegt worden, in welchem von der Gnade und Barmherzigkeit des Herrn gesungen und gepredigt werden sollte. Ps. 89, 1. Bei der Taufe der Ursula Catharina, Tochter des Burggrafen Karl Christoph zu Dohna, nachmaligen Reichsgräfin von Callenberg, den 19. Mai 1622 ist die Kirche feierlich eingeweiht worden. Das erste Paar, welches an dem Altare getraut wurde, war Christoph Richter, ein Tagelöhner, Hans Richters, Zimmermanns und Inwohners in der Schmelze Sohn, und Jungfrau Martha Spärrichin, auch eines Zimmermanns in der Schmelze Tochter.
Die Umgebungen der Kirche sind durch den Fürsten zu einem lieblichen Vorhofe derselben umgewandelt worden. Anfänglich bildete der Kirchhof ein rings von Mauern eingeschlossenes Viereck. Zwischen die Mauer nach der Gasse zu war ein großer Röhrbottich gesetzt, um das schöne Gotteshaus in Feuersgefahr schützen zu können. Die Mauer wich 1779 einem von zwei großen Thorwegen durchbrochenen Stackete, zwischen welchen auf einem etwas eingerückten Rondele das eiserne Monument stand, den Helfern in der Theurung 1771/72 gesetzt. Noch stehen einige der alten Linden, welche sonst auf der Morgen- und Mittagsseite den Gräbern des Kirchhofs Schatten brachten. Jetzt zieht sich von dem Ostende der Kirche aus gleich einer grünen Ranke eine Kette von Bäumen und Sträu[S. 22]chern an der Südseite des Kirchplatzes hin. Zwischen ihr und der Kirche ist ein Rasenteppich. Von der Hauptstraße aus dringet der Blick über niedriges Gesträuch zu dem schönen Gotteshause. Das eiserne Monument stehet jetzt da, wo sich die beiden Hauptwege zur Kirche vereinen.[B] — Wohl hat sich die Umgebung der Kirche geändert, wohl ist sie selbst nach dem Brande 1766 in einfachem, edeln Schmucke renovirt worden; aber die hohe Bestimmung des Heiligthums bleibt fort und fort dieselbe, zu sein ein Heerd des Herrn, an welchem Christenherzen der ewigen Liebe die Opfer ihres Dankes darbringen. —
Anmerk. Ueber die deutsche Kirche s. Musk. Kirchenzierde — auch sub tit. Muskov. decus eximium, Guben 1668 — u. Langner S. 16–20. Der Baumeister dieses Gotteshauses, dessen Bogen nur sich selbst und keinen dieselben im Inneren stützenden Pfeilern anvertraut sind, war der Italiener Bevelaqua. Den 2. April 1766 brannte die Kirche aus. Das Altarblatt ist von dem Maler Huttin. Der Thurm ist nicht in der Höhe wieder hergestellt worden, die er früher hatte. —
[B] Dieses Monument befindet sich gegenwärtig auf dem freien Rasenplatz an der Südseite der Kirche. An seiner früheren Stelle erhebt sich das Siegesdenkmal — eine Victoria von Drake — gestiftet zum Andenken an die Kriege von 1866 und 1870/71, ein Werk von hohem Kunstwerth.
Anm. d. Herausgebers.
Während sich die freundliche, lichtreiche, deutsche Kirche Muskaus über ihrer Gemeinde wölbt, umschließt die Gruft vor dem Altare eine Versammlung edler, ehrwürdiger Todten. Sie gleichet einer jener Krypten, jener unterirdischen, spärlich beleuchteten Kapellen unter dem Chore mittelalterlicher Kirchen. Sie birgt die Gebeine derer, welche einst Schirmvoigte des Gotteshauses waren und welche von dem Schlosse aus hierhin zu ihrer Ruhestätte übersiedelten.
Zugleich mit der Kirche ließ Karl Christoph, Burggraf zu Dohna, jene Gruft für sich und seine Nachkommen bauen. Hatte[S. 23] sich der berühmte Weltumsegler Franz Drake, ein Freund des Vaters des Burggrafen, das Element, auf welchem er gelebt hatte, zu seiner Grabesstätte erkoren, hatte er verordnet, daß einst sein Leichnam auf bleierner Bahre in das Meer gesenkt würde; in dem Hause des Herrn, das er gebaut und geliebt, wollte der fromme Burggraf einst ruhen, und die Gruft unter dem Altare sollte ihm und Vielen werden ein stiller Hafen nach den Stürmen des Lebens. — Die Gruft, in welcher die Standesherrn und deren Familienglieder beigesetzt sind, ist den Bewohnern der Herrschaft immerdar eine heilige, ehrwürdige Stätte gewesen, nicht aber den wilden Kroaten, welche, als sie im dreißigjährigen Kriege, 1633 den 8., 11. und 12. October, die Herrschaft, Stadt, Schloß und Kirchen plünderten, die Särge aufschlagen, um dort verborgene Schätze zu finden. — Sonst führte eine steinerne Stiege, verdeckt durch eine Fallthüre, nahe bei der Kanzel in das düstere Gewölbe. Es ist ziemlich geräumig und zieht sich bis unter den Altar hin. In ihm sind diejenigen, welche sich einst an dem Altare des Herrn bei dem Genusse des gesegneten Brotes und Kelches nicht nur als Glieder einer und derselben hohen Familie, sondern auch des Hauptes, Jesu Christi, des Todüberwinders, ewig verbunden fühlten, im Todesschlafe vereint. Aber wer sind die Schläfer der stillen Gruft? Wie heißen die, welche die dunkle Krypte der Kirche versammelt hat? Nicht lassen sich die Namen aller mit Bestimmtheit angeben; denn da sind Särge, große und kleine, metallene und hölzerne, welche das Loos derer theilen, die sie bergen, — das Loos des Zerfallens.
Jene beiden ältesten, zinnernen Särge standen anfänglich nicht hier, sondern in einem Gewölbchen neben der Sakristei der alten Stadtkirche. In ihnen ruhen die Gebeine des Burggrafen Wilhelm zu Dohna, welcher den Grundstein der Kirche legte, und seiner Gemahlin Catharina. Beide haben das Gotteshaus, dessen Baues sie sich freuten, nicht in seiner Vollendung gesehen. Erst nach derselben kam eine feierliche Stunde, in welcher ihre Leichname in die Gruft der Kirche gebracht wurden. Vier Kinder gingen den Eltern im Tode voran, deren drei wohl bei ihnen in der Gruft ruhen. Die Särge mehrten sich. Der Tod bettete aus Wiege in den Sarg ein Knäblein, Caspar[S. 24] Wilhelm, der Herrschaft ihren einstigen Herrn entreißend. Dem Sohne folgten die Eltern in die Gruft, Burggraf Karl Christoph zu Dohna und seine Gemahlin Ursula Brigitta von der Schulenburg.
Wohl schloß sich also die kurze Reihe der Dohnas, welchen einst die Herrschaft gehörte; aber nicht die Gruft für ihre Nachkommen. Die einzige Erbin der Standesherrschaft, Ursula Catharina, Burggräfin zu Dohna, vermählte sich den 11. December 1644 mit dem Landvoigte der Oberlausitz Curt Reinicke von Callenberg. Die Eltern sahen in die Gruft senken ihren Erstgeborenen, Herrmann, in dem ersten Jahre seines Lebens, seinen Bruder Karl Christoph und dessen Schwester Catharina Elenora, deren Sarg zu Häupten anagrammatisch die Inschrift trägt: C. E. F. V. C. — Cath. E. Freiin v. Cal. — Christi Erlösung Fördert Unsere Crönung. — Unter ihren Kindern ruhen die Eltern, der Landvoigt und dessen Gemahlin, in ihrer Jugend eine Waise, aber nicht im späteren Alter, wie im Tode.
Doch unter den Särgen der Gruft ist ein sinnig verzierter Sarg. In dem einen Schilde des Deckels ist der Sonne Untergang und der Sterne Aufgang dargestellt, und um den Rand desselben zieht sich die Umschrift: Pulchra in prole superstes! Sechszehn Kinder, neun Söhne und sieben Töchter, wurden dem zweiten Standesherrn aus Callenbergschen Geschlechte, welcher in jenem Sarge ruht, geboren. Einige derselben starben frühzeitig, als Johann Georg, Curt Reinicke, Georg Wilhelm, Ludwig August, Maria Margaretha, Ursula Catharina, Johanna Sophia; die andern wurden der Eltern Freude. Die Söhne, namentlich Heinrich und Otto Karl, erlangten durch Tapferkeit und Weisheit die höchsten Ehrenstellen. Eine Tochter Louise vertauschte ihrer Väter Glauben mit dem katholischen und in der Firmung ihren Namen mit dem Eleonora. Ihrem Gatten folgte freudig zur Ruhestätte die Ursula Regina, geb. Freiin von Friesen. Sie verordnete, bei ihrem Begräbnisse nur Lob- und Danklieder zu singen ob all’ der Barmherzigkeit und Treue, die der Herr an ihr und den Ihrigen gethan hatte. In der Gruft sind ferner beigesetzt der Standesherr Johann Alexander von Callenberg und mehrere der Seinen, worunter eine Enkeltochter, ein Kind der Gräfin zur Lippe. G. A. H. Herrmann von[S. 25] Callenberg ruht allein in der wendischen Kirche. Die Gruft birgt ferner die irdische Hülle des Standesherrn Ludwig Karl Hans Erdmann, Reichsgrafen von Pückler, so wie die des Vaters desselben, August Heinrich, einst Administrator der Herrschaft. Den 7. Februar 1815 wurde die Leiche der Schwiegermutter des Grafen Curt von Callenberg, der Frau von Bassewitz, aus Eichberg in die Gruft gebracht; den 21. Januar 1817 starb der Graf selbst zu Dresden; den 27. Januar wurde seine Leiche hier feierlich beigesetzt. Er war der Letzte der Familie, welcher die Herrschaft lange Zeit gehört hatte, aber auch der Letzte, welchen die Gruft aufnahm. Muskau wurde verkauft. Seine Fürstin ist zu Branitz bestattet. —
Eine heilige Stätte ist jeder Grabhügel, ist die Gruft der Kirche zu Muskau. Sie, die dort schlummern, waren einst die väterlichen Leiter und Führer von Geschlechtern, zu ihnen schauten Generationen vertrauensvoll empor und gleich ihnen gingen sie zu Grabe. Wie an des eigenen Hauses Glücke haben die Standesherren an dem Glücke der Herrschaft gearbeitet, und Zeugen davon sind Gebäude, die sie aufführten, Institutionen, die sie trafen, ist der bessere Zustand, welcher auch dieser Gegend wurde.
Einen unverwelklichen Lorbeer haben sich einige derselben gewunden aus Verdiensten um das Vaterland, aus hochherzigen, in blutigen Kämpfen vollbrachten Thaten. Immer wird in der Geschichte der Lausitz gedacht werden des Landvoigts, welcher der Unordnung steuerte, die der dreißigjährige Krieg auch dem Markgrafthume gebracht hatte, der bei Janckau dem Feinde zehn Fahnen und zwei Standarten abnahm, der bei Wittstock, Schweidnitz, Leipzig u. s. w. tapfer kämpfte. Nimmer wird vergessen werden des blutigen Tages vor Wien, wo die Türken von dem edlen Sobiesky in ihrem Lager, von den Kurfürsten aber unter den Mauern der alten Kaiserstadt überwältigt wurden und wo sich unter den Sachsen vor Allen auszeichnete eines heldenmüthigen Vaters heldenmüthiger Sohn — Curt Reinicke von Callenberg II.
Vieles hat sich geändert, seitdem jene Todten die Gruft aufgenommen hat. Andere sind in ihr Schloß eingezogen. An der Gruft der Kirche weilt sinnend die Erinnerung. Und sie[S. 26] schauet die, welche die Särge bergen; sie gedenket der Geschlechter, unter denen sie einst lebten. Mächtig ergehet ein Wort an die Nachwelt: „Wir haben hier keine bleibende Stätte!“ Aber über der Versammlung der Todten in der Gruft, dort in dem Hause des Herrn, ertönet fort und fort das Wort des Lebens, dahin weisend, wohin ihre Seelen vorausgegangen.
Anmerk. Nachrichten über die Gruft finden sich in der Musk. Kirchenzierde B. 716–756 und in der Anm. dazu.
Ueber die Standesherrn und deren Familien vergl. — die Adelslexica von Zedlitz, Gauhe u. s. w. — Carpzovs Ehrentempel u. A. — insbesondere: Grab- und Ehrenmale von v. Martin Francisci, Superintendent. der Erbherrsch. M., Einleitung — Leichenreden: auf Wilhelm, Burgg. z. Dohna v. M. M. Zeidler, Wittenb. 1606, auf Karl Christoph, Burgg. zu Dohna von demselben, Görlitz 1625, und d. Stationspred. v. G. Mathesius, weil. Past. zu Zibelle, Görl. 1625 — auf den Landvoigt — Con. conc. fun. D. Geieri, Theol. celeb., habit. Dresdae a. 1672 — auf dessen Sohn, C. Reinicke v. M. K. G. Engelschall — dazu: Magnatum Καρδιοκόλλα, drei Leichenreden v. Jai, Stöcker u. s. w. —
Stirbt auf dem Schlosse zu Muskau ein Kind seiner Herren, fällt eine Knospe, eine Blüthe ab von dem Baume des Lebens, so zeigt sich der Sage nach oft, wenn der Todeskampf bald zu Ende ist, die weiße Taube des Friedens. Ihrer erwähnt Jacobus Stöckerus, weiland Superintendent zu Muskau, in einer von ihm 1662 gehaltenen Leichenrede „Geistlicher Brautkranz und Ehrenkron aus Pauli Lustgarten“.
Dem um die Lausitz wie um die Standesherrschaft hochverdienten Landvoigte Curt Reinicke von Callenberg wurden vier Kinder geboren. Drei derselben starben frühzeitig, unter ihnen eine Tochter an der Grenze der Kindheit und des jungfräulichen Alters. Catharina Eleonore von Callenberg war die[S. 27] Freude ihrer Eltern. Gesundheit, Schönheit, fröhlicher Muth, Tugend und Frömmigkeit stritten in ihr um den Preis. Rasch und reich entfaltete sich der Geist des Mädchens, am herrlichsten im Glauben und in der Liebe zum Herrn. Doch es glich einer Blume, welche der Erde entblühen und für den Himmel aufblühen sollte. Unabweisbare Todesahnungen durchzogen die kindlich reine Seele. Die Anfangsbuchstaben ihres Namens C. E. F. V. C. deutete sie also: Christi Erlösung Fördert Unsere Crönung — ein Wort, welches ihr Symbolum und später die Inschrift ihres Sarges zu Häupten wurde. Nach dem Tode ihres Bruders K. Christoph behauptete sie, daß sie ihm bald nachfolgen würde. Eine hitzige Krankheit warf sie nieder. Die Eltern flehten den Herrn um Rettung ihres Lieblinges an; aber die glaubensstarke Tochter bat die Mutter, von den Klagen und Thränen zu lassen, denn sie sei ja des Herrn. Unter den Stunden des 26. Juni 1662 war ihre Todesstunde.
Der Tod hatte seinen Sieg über das junge Leben bald vollendet. Die Scheidende stand an der Grenze der frohen Ewigkeit. Aber wie die Sonne, welche dichtes Abendgewölk durchbrochen hat, in ihrem Sinken noch einmal so lieblich mit ihrem Golde spielt, so war das fromme Mädchen in seiner Todesstunde. Ein tiefer Friede hatte sich über ihre Züge ergossen, ihr Antlitz war verklärt, ihre Blicke leuchteten in Trost und Freude, das Auge des Glaubens schaute klarer und weiter denn je; es war einer jener Augenblicke in dem Tode dieser Frommen gekommen, wo ein Vorgefühl der nahen Seligkeit mächtig in die Seele trat. Da richtete sich die Sterbende plötzlich auf ihrem Lager auf. Sie fragte: „Wo blieb denn die weiße Taube, welche um mein Bett flog?“ Ein heiliger Schauer erfaßte die Umstehenden. Indeß kam Magister Stöckerus. Indem er des Mädchens Hand ergriff, sprach er: „Haltet ja euern Herrn Jesum im Herzen recht fest!“ Da sank ihr Haupt, es brachen die schönen, hellen Augen, und unter innigen Gebeten übergab der glaubensstarke Magister die Seele seines Lieblings dem Herrn.
Der fromme Stöckerus giebt viel auf jenes Gesicht und sollte er darob für einen Thoren gehalten werden. Das Täublein, meint er, war das rechte Täublein Noä mit dem Oelblatte[S. 28] des Friedens, nachdem die Fluthen der Schmerzen vorüber waren, Jesu Taube 1. Mos. 8, 11. Matth. 3, 16. Er schließt die herrliche Leichenrede, in welche er sein ganzes Herz gelegt hat, mit den Worten Hieronym. ad Paul. suam: Faveamus Blesillae — Cath. Eleon. — nostrae, quae de tenebris migravit ad lucem, et inter fidei incìpientis ardorem, consummati operis percepit coronam. —
Anmerk. Jacobus Stöckerus, 1606 zu Jena geb., war 1630 Feldprediger bei der sächsischen Armee, dann Superintendent zu Muskau von 1646 bis 1678. Sein Bild, wiederhergestellt durch die Hand des Herrn Obrist Köhler, jetzt in der Sakristei der deutschen Kirche, zeigt einen ehrwürdigen, kräftigen Mann.
Die Ursula Catharina, geborene Burggräfin zu Dohna, war einst nicht die milde, fromme Frau, die sie später an der Hand des Landvoigts Curt Reinicke von Callenberg geworden ist. Die Sage schildert sie herrschsüchtig, hartherzig, ja grausam. Sehr früh waren ihr die Eltern gestorben. Ihre wackern Vormünder, die Gebrüder Sigismund und Seyfried von Kittlitz, nahmen sich zwar des verwaisten Burgfräuleins väterlich an; aber es fehlte die Erziehung der Eltern, besonders die der Mutter, welche edle Gefühle des Herzens weckt und pflegt. In den gefahrvollen Zeiten des dreißigjährigen Krieges wurde die Erbin der Herrschaft zwar bald hierhin, bald dorthin in Sicherheit gebracht; aber sie sah die Gräuelthaten des Krieges und viele Schlechtigkeiten verwilderter Menschen, und dies blieb nicht ohne Einfluß auf ihr Herz.
Unweit des Schlosses nach dem Westende der Stadt zu ist die Thränenwiese, eine der schönsten Partien des Parks. Fast regelmäßig, wenn das Gras derselben zum ersten Male gemäht wird, beginnt es zu regnen, so daß die Heuernte verdirbt; denn auf der Wiese ruhet ein Unsegen, ein Fluch. Fabian von Schönaich hatte armen Bewohnern der Gegend gestattet, sich[S. 29] dort anzubauen, wo jetzt die Wiese ist. Auch die Burggrafen von Dohna duldeten die niedrigen Hütten in der Nähe des Schlosses. Anderer Gesinnung als ihre Eltern war die Ursula Catharina. Sie wollte den Platz zur Vergrößerung des Gartens haben; mitten im Januar mußten die armen Bewohner der Hütten, ohne daß anderweitig für sie gesorgt wurde, ihr schützendes Obdach verlassen. Die Hütten wurden abgebrochen. Nur eine derselben blieb stehen. In ihr wohnte ein armes Elternpaar. Drei Knäblein wärmten sich am Ofen. Neben dem Bette der Mutter stand eine Wiege mit ihrem Lieblinge. Ein alter, treuer Diener der Burggräfin hatte, gerührt durch den Anblick des neugeborenen Mägdleins, bei der Herrin ein gutes Wort für die arme Familie eingelegt. Die letzte der Hütten durfte noch stehen bleiben; aber nur kurze Zeit, bis zum ersten Februar. —
Der erste Februar war herangekommen. Grimmiger denn je war die Kälte, und selbst die Vögel suchten Schutz vor derselben unter den Dächern der Gebäude. Vergebens war jener arme Mann die Stadt und die Dörfer durchlaufen, um für sich und die Seinen ein Obdach zu finden. Gern hätte er dafür gezahlt mit seiner Hände Arbeit. Traurig kehrte er in seine Hütte zurück. Doch mit grimmigen Blicken schaute die Ursula an jenem Tage nach der Hütte. Denn, als sie hörte, daß dieselbe noch nicht geräumt sei, hielt sie dies für Saumseligkeit, Mißbrauch ihrer Güte, Ungehorsam, Starrsinn. Der Abend nahte. Immer zorniger ward die Gräfin; immer größer die Verzweiflung des Armen. Sie gab ihm den Muth, auf das Schloß zu gehen und die Herrin um Mitleiden anzuflehen. Der alte Diener, welcher für ihn gesprochen hatte, öffnete die Pforte. In schlichten Worten schilderte der Bedrängte seine vergeblichen Mühen, ein Unterkommen zu finden, bat er um Verlängerung der Frist, um Gnade für die Seinen. Aber in dem Herzen der schönen Gräfin hatte der Zorn jedes Mitleiden erstickt, und in das Roth ihrer Wangen mischte sich die Gluth desselben. Harten Worten folgten noch härtere. Sie hieß den Armen gehen und augenblicklich die Hütte räumen. Er fiel vor ihr auf die Knie nieder, er flehte mit Worten und Thränen das Erbarmen der Gräfin an, daß Steine hätten[S. 30] gerührt werden mögen. Aber wie es bisweilen zu geschehen pflegt, daß die Leidenschaft, je mehr sie sich ihrer Herrschaft über ihr Opfer sicher fühlt, desto wilder und unaufhaltsamer wächst: — die Gräfin stieß den Flehenden von sich, und immer heftiger wurde ihr Zorn. Die Gluth ihres Antlitzes verkündigte, was sie befehlen würde. Sie schellte. Der alte, treue Diener kam. In einer Viertelstunde, so lautete der Befehl an denselben, sollte das Haus der Ungehorsamen brennen, der, nach ihrer Meinung, wie Viele vergessen hätte, daß sie noch die Herrin Muskaus sei. Der im Dienste des Hauses ergraute, treue Diener bat die gestrenge Herrin, ihm diesmal zu erlassen, was sie befohlen. Sie drohte ihm mit augenblicklichem Abschiede. Da siegte die Liebe zu seinem Dienste über das Gefühl des Mitleidens und des Rechtes in des Alten Brust. —
Es begann dunkel zu werden. An dem Fenster des Schlosses stand die schöne Ursula nach der Hütte schauend und ungeduldig wartend, ob man ihren Befehlen gehorsam sein würde. Die Zornesgluth ihrer Wangen verflog allmählig; aber bald sollten die Zornesflammen dort draußen die Nacht erhellen. Eilig rafften die Armen, bald Obdachslosen ihre wenigen Kleider zusammen. Die Mutter nahm den Säugling aus der Wiege und drückte ihn fester an die Brust. Die Knaben hingen sich furchtsam an die Eltern. Sie verließen das Haus. Die Thüre wurde geschlossen. Der alte Diener vollzog seiner Herrin Befehl, und ein brennender Kienspan zündete das Strohdach.
Grimmiger wehte der eisige Morgenwind. Die Armen hatten den Hügel dem Eichbusche gegenüber erreicht. Hier mußten sie Halt machen. Die Knaben bebten vor Kälte und weinten, und das zarte Leben an der Mutter Herzen umfing des Nachtwinds kalter Hauch, so daß es zu erstarren begann. Indeß schlug zu ihren Füßen die Flamme der Hütte zum Himmel empor. Wohl weidete sich an diesem Anblicke die hartherzige Gräfin; aber dort auf dem Hügel, in der äußersten Noth, von Allen verlassen, da der Wind wie des Todes Hauch ihr Kind anwehte, schaute die Mutter zu der Stätte zurück, wo seine Wiege gestanden, und als die lichte Lohe wie Regen zur Erde herabfiel, fluchte sie in ihrer Verzweiflung einen Fluch gar ernst und schauerlich: „Nie werde dieser Stätte die erste Ernte! Wie[S. 31] die Lohe, welche jetzt auf sie herabfällt, treffe sie Vernichtung von oben!“ Und wie sie geflucht, so ist es geschehen. Wohl erbarmte sich ein Bauer, mitleidiger als die Gräfin, der Armen, wohl zogen sie fort zu einem glücklichern Loose; — aber der Fluch, der Unsegen liegt noch immer auf jener Wiese des Parks, und wird das Gras derselben zum ersten Male gemäht, so fällt gewöhnlich Regen und es verdirbt.
Anmerk. Die Ursula Catharina lebt in der Sage fort. Ueber ihre Jugend bis zu ihrer Vermählung s. Musk. Kirchenz. Anm. zu B. 533.
An den räthselhaften Ursprüngen des Nils liegt ein herrliches Alpenland — Habesch. Majestätisch thürmen sich seine Berge zum Himmel empor, und den erhabensten Purpur bringt ihren Gipfeln der Glanz der Sonne des Südens. In den Alpen ist ein reiches Weben und Schaffen der Natur. Frisches Grün umsäumt die Höhen, gluthvoller küsset der Sonnenstrahl die Knospen, und viele seltene, herrliche Blumen schmücken jene Wunderzone. Eine Blume der freien Alpe gleich war dort ein Mägdelein, die Tochter eines Hochgestellten des Landes, nahe dem Könige. Eben war sie eine Blüthe aus der Nacht der Knospe getreten. Es schlug ihr Herz in hoher Daseins-Wonne; es tauchte sich in der Heimath süßes All. Doch ein feindliches Volk drang siegreich vor. Viele würgte das Schwert, auch des Mägdleins Eltern, und es mußte Zeuge sein, wie die Feinde sechs ihrer Brüder tödteten. Zu Gondar wurde Machbuba von ihrer Schwester auf immer getrennt, und weiter schleppten ihre Gebieter die Jungfrau. Auf dem Sklavenmarkte zu Chartum harrete sie des harten Looses, das ihr werden sollte. Bis dahin war Fürst Pückler-Muskau auf seinen Reisen durch Mehemed Alis Reich vorgedrungen. Ihn fesselte die bronzefarbene Schönheit, mehr noch die Wehmuth der Verlassenen, ihre kindliche, innige, reiche Seele. Er kettete ihr Leben an das seinige, und[S. 32] löste die schöne Blume der abyssinischen Alpe von ihrer Heimath — um im kalten Norden früh zu verwelken. — Unter den Räumen des Bades Muskau zwischen der Neiße und den Hügeln ist ein Haus vom Park umschlossen. Von seinem Balkon aus schaut man Wiesen, Baum- und Blumengruppen, welche die Kunst mühsam geschaffen hat. Jenes Haus wurde die Heimath der Fremden, der Tochter der südlichen Alpenwelt. Freud’ und Leid hatte sie mit ihrem fürstlichen Herrn und Freunde auf langer, beschwerlicher Reise gern getheilt; in kindlichem Gehorsam gefiel es ihr auch hier wohl. Die Sterne des Nordens haben mit kaltem Glanze auf die schöne Tochter des Sonnenlandes herabgeschaut, und ihre Sehnsucht nach der Pracht des Schlosses wurde nur erst kurz vor ihrem Tode gestillt; denn dort ist sie gestorben den 27. October 1840 Mittags 12 Uhr. Der alten Heimath theures Paradies war ihrer Seele nimmer fern. Auf der Sehnsucht ungehemmten Schwingen zogen die Gedanken nach dem geliebten Vaterlande. Wie das Kind an der Mutter Brust fanden sie dort ihre Ruhe. Reicher träuften die heimathlichen Fluren von tiefem Frieden, schöner blühten ihre Blumen, freier erhoben sich ihre Berge zum Himmel, und der Heimath, der Kindheit entschwundenes Glück tauchte tröstend in der Erinnerung empor. Die innige, sich sehnende Seele erschloß sich immer mehr und mehr der Sonne der Sonnen; aber langsam verwelkte unter des Todes eisigem Hauche die Blume des Lebens. Der Fremden wurde die Rückkehr in unser Aller Heimathsland herrlich und reich. —
Mancher Todtenhügel ist aufgeschüttet auf Muskaus Kirchhofe; mancher Kummer hat dort geendet. An dem Rande desselben ist ein Grab aus leichtem Sande aufgebaut. Er birgt eine früh Entschlafene. Nicht hat sich Todtenblässe über ihre Züge ergossen, wie über die Anderer, als sie in den Sarg gelegt ward; nicht wehen die heimathlichen Palmen über ihrem Grabeshügel, und nur ein Vergißmeinnicht des Lenzes blüht über demselben unbemerkt zur Trauer um die Todte; nicht ist es der Sterbenden vergönnt gewesen, ihrem fürstlichen Herrn und Gebieter, ihrem Befreier, dem sie gefolgt, dem ihr Herz, ihr Leben gehörte, im Danke die Hand zu reichen: — in kalten Gyps haben sie die Hand der Todten abgedrückt und also dem[S. 33] um sie Trauernden gesendet. Der Tod hat sie des Traumes eines reichen Glückes, des langen Heimwehs entbunden. Ein Vaterland jenseits des Stromes der Zeit hat sie aufgenommen und ihr den Kuß der Liebe gegeben. Sie ruhet so sanft unter den Todten Muskaus, und auf dem Friedhofe daselbst ist ein seltenes Grab. —
Jahre waren vergangen seitdem jene Tochter Abyssiniens zur Ruhe bestattet worden war, und die Herrschaft Muskaus war eine andere geworden. Wiederum goß der Frühling frisches Grün über den Park aus und in den einsamen, schattigen Hainen desselben dachte wohl Mancher derer, die sie aufgebaut hatten, des fürstlichen Gründers des Parks und seiner edlen, gemüthreichen Gemahlin. — Es war ein herrlicher Lenzestag — ein Tag des Herrn. Die Sonne stand in ihrer vollen Pracht am Himmel; aber bald trat lichtes Gewölk vor dieselbe, und gleich einem Flore legten sich Schatten über den ergrünenden Park. Durch Wiese und Hain herrschte feierliches Schweigen. Maiglöckchen läuteten ein zur Todtenfeier. Wie fromme Beter standen die Blumen. Die Gipfel der Eichen tauschten ihre Klagen, es schlug im Leide des Haines Herz, und es war als wenn die Natur um einen Todten trauerte. — Muskau feierte an jenem Tage das Andenken an eine jüngst Entschlafene, das Andenken seiner einstigen fürstlichen Herrin, der Beglückerin und Wohlthäterin Vieler. —
Fern von ihrem Muskau ruhet die Fürstin, fern von ihren Alpen die schöne, edle Tochter Abyssiniens. Der Tod führt aus der Fremde zur Heimath.
Sendet man von dem Gipfel der Landeskrone bei Görlitz seinen Blick nach Nordwesten, so dehnt sich vor demselben zwischen der Neiße und Spree, welche den schwarzen Schöps mit dem Ebersbach aufnimmt, eine mächtige Waldfläche aus — die Muskauer Haide. Wie dicht und holzreich die Wälder der[S. 34] Standesherrschaft einst waren, kann man sich kaum noch vorstellen. Aus Aerger über die unwegsame, unwirthliche Haide wurde diese im dreißigjährigen Kriege 1637 von den Kaiserlichen angezündet, und der fürchterliche Waldbrand dauerte über sechs Wochen. Köhler und Andere, welche den Wald lichteten, waren erwünscht. Gräbt man in die Erde, so findet man hie und da Riesen von Baumstämmen, welche unbenutzt versanken, und einem Urwalde Amerikas mochte besonders an den moorigten, quellreichen Stellen die Muskauer Haide gleichen mit ihren Kiefern, Fichten, Tannen, Birken, Erlen, Buchen und tausendjährigen Eichen, unter welchen Sträucher und kleinere Bäume mächtig emporwuchsen. Wie ein Ueberrest jenes Waldes ist das herrliche Revier um das Jagdschloß.
Das Jagdschloß mit seinen Umgebungen liegt drei Stunden von der Stadt, unweit der Bautzner Straße. Welcher Standesherr die Gebäude desselben einst aufführen ließ, läßt sich nicht ermitteln. Wahrscheinlich sind sie ein Werk des Landvoigts Curt Reinicke von Callenberg. Dafür spricht die Nachricht, daß der Kurfürst von Sachsen mit den Prinzen oft der Einladung zu Jagden in der Muskauer Haide folgte, welche von einem Manne ausging, den sein Landesherr vor Allen auszeichnete. Auch wies die ursprüngliche Bauart des Schlosses darauf hin, daß es nicht zu alt sein kann, daß es weder als befestigte Stätte, noch zu einem längern Aufenthalte gedient hat, sondern nur für die Jagden. Ein Zimmer des Schlosses war vordem zur Kapelle eingerichtet; denn wie bei den kurfürstlich sächsischen Hirschfeisten, zur Verherrlichung der Jagdfeste, die Jagdpredigten nicht fehlen durften; wie solche z. B. 1649 in der Schloßkirche zu Freiberg von dem orthodoxen Weller gehalten wurden und unter dem Titel „Zachäi erfreuliche Seelenjagd“ herausgegeben worden sind; so durften jene Jagdpredigten auch bei den Jagden derer nicht fehlen, welche in ihrem Leben die Sitten des Hofes nachahmten. — Das Jagdschloß ward später eine Stätte, in deren Stille sich die Besitzer der Herrschaft aus ihrem geschäfts- und beziehungsvollen Leben gern dann und wann zurückzogen. Graf Herrmann von Callenberg, dieses poetische, für die Schönheiten der Natur empfängliche Gemüth, hatte seit 1774 das Schloß mit seinen Umgebungen zu einem der an[S. 35]genehmsten Aufenthalte für Sommer und Winter umgeschaffen. Nach ihm wurde es Herrmannsruh oder Mon repos genannt. Die Grafen Pückler weilten gern daselbst, weil sie die Jagd liebten. Erst 1815 überließ die Gräfin Seydewitz dem Standesherrn, ihrem Sohne, das Schloß zum freien, beliebigen Gebrauch. Vor allen hat Fürst Pückler-Muskau sein Jagdschloß geliebt. Dorthin führte er von der Grenze der Standesherrschaft seine Braut, die Tochter des preußischen Staatskanzlers von Hardenberg; von dort aus hielt sie einige Tage darauf, den 22. Juli 1817, ihren feierlichen Einzug in das Schloß Muskau. In einem Nebengebäude des Schlosses hatte sich der Fürst einige Zimmer nach seinem Geschmacke einrichten lassen. Bücher, Waffen, Bilder und Schreibzeug waren die Zierde derselben. In dem Schweigen und der Frische des Waldes ist ein großer Theil der Tutti Frutti und des klassischen Gartenwerkes, sowie andrer Werke des Fürsten entstanden. Einen lieblicheren Raum zum Sinnen und Denken konnte sich der Schriftsteller unter den Fürsten nicht wählen. Mächtig wirkte der Wald auf das Gemüth und erfüllte mit Begeisterung für die Natur; klarer und übersichtlicher zogen in der Einsamkeit und Ruhe desselben die Bilder des Lebens, die der Fürst, ein moderner Odysseus, bald hier, bald dort, besonders in den höchsten Kreisen geschaut hatte, vor der Seele vorüber, um ihre vorurtheilsfreie, originelle Würdigung zu empfangen.
Der jetzige königliche Standesherr hat das Jagdschloß im gothischen, oder vielmehr im normännischen Style restauriren lassen. In dem einstöckigen Hauptgebäude ist ein Saal, aus welchem man auf ein kleines Plateau tritt, von dem Stufen auf die Wiese führen. Ueber jenem Saale ist ein Dachzimmer; die übrigen Zimmer befinden sich in den beiden Flügeln des Schlosses. Von beiden Seiten des Gebäudes aus zieht sich eine Mauer hin, welche sich im Walde verliert und durch welche ein schönes Portal in den Schloßraum führt. Die alte Försterwohnung ist abgebrochen; die neue lehnt sich an den nahen Hügel. —
Hatten schon die frühern Besitzer der Herrschaft die Umgebungen des Jagdschlosses zu verschönern gesucht, so konnte es nicht fehlen, daß der Meister in der Landschaftsgärtnerei dieses[S. 36] Lieblingsplätzchen seiner Ahnen, die Stätte, wo er selbst so gern weilte, nach seinem Genius zu behandeln begann. Schon 1815 fingen dort seine Schöpfungen an; doch gingen sie meistens gleichen Schritt mit denen des Muskauer Parkes. Von diesem aus wurden anmuthige Waldwege nach dem Jagdschlosse geführt. Es entstand um dasselbe herum ein zweiter Park, den Spaten und Axt vereint geschaffen haben. — Vor dem Plateau an der Südseite des Schlosses breitet sich ein frischer Wiesengrund aus. Wohl schaut man da herrliche Gruppen alter Laub- und Nadelhölzer; aber alsbald wird das Auge durch das Dunkel des Waldes gehalten, und die große Schattenmasse giebt dem Bilde den Charakter der tiefsten Ruhe. Der Wald westlich vom Schlosse ist von Wiesenflächen umsäumt, welche sich an ihm weithin ziehen. Da, wo sie in der Nähe des Schlosses beginnen, steht ziemlich isolirt eine herrliche, alte Fichte, wohl mehr als 100′ hoch. Gar gleichmäßig senken sich ihre Aeste mit den langen Nadelgehängen von der Krone des Baumes an und die untern, die bis zur Erde herabhängen, messen über 30′. Der Anblick dieses majestätischen, noch immer frischen Baumes stimmt das Gemüth feierlich; aber er versetzt auch die Seele in Spannung; denn es ist als wenn dieser Gigant aus der Tiefe des Waldes hervorgetreten wäre, um seinem Bewunderer zuzurufen: „Gehe nur in den Wald, dort findest du viele meines Gleichen!“ Auf der Wiese an dem Walde sind mannigfach gestaltete Strauch- und Baumgruppen. Sie gleichen den bald höheren bald niederen Vorbergen eines Hochgebirges. Ueber dieselben erhebt sich der Blick zur Höhe des mächtigen Waldes mit seinen Linien, welche er gegen den Horizont bildet; sie bringen den Eindruck des Freundlichen und Heitern, der sich über sie hinaus zum Gefühle des Erhabenen erweitert. Wie der Fürst mehr denn ein Anderer in jenes Schönheits-Geheimniß der Natur eingedrungen ist, nach welchem sie in ihren Formen und Gruppirungen nie grell abbricht; so hat er auch hier den Hochwald in dem Wiesengrunde meisterhaft zu vermitteln und in Einklang zu setzen gewußt, und hierin ruhet der Reiz der Partie. Die Wiesenfläche verliert sich nach Nordwesten zu im Walde. An dem Ostrande derselben ziehen sich chaussirte Wege und Gänge hin, und von hier aus steigen[S. 37] Hügel sanft auf. Diese sind bis an den Wald mit Laubholz-Pflanzungen bedeckt und von Gängen durchzogen. So aber ist in die Umgebung des Jagdschlosses ein schönes Gleichgewicht, sowie eine reiche Fülle von Abwechselung gebracht worden, und die groteske Natur um dasselbe hat Bewegung erhalten. —
Doch wie lieblich auch die nächsten Umgebungen des Jagdschlosses sind, mächtig reizet des Waldes Geheimniß. Schmale Waldwege führen in dies Heiligthum, welches die Natur allein aufgebaut hat. Dort heben Kiefern, schlank wie die Pinien, oft über hundert Fuß hoch, ihre Gipfel zu den Wolken empor; dort grünen Eichen, die manche Generation überdauerten, in unversiegbarer Frische; dort wetteifern riesige Fichten und Tannen im Alter und himmelanstrebenden Wuchse; dort sind Aeste in einander verschlungen; dort erneut sich unter erstorbenen Zweigen in kräftigem Nachwuchse der Wald, und fast undurchdringlich ist die grüne Wildniß; dort in dem quellenreichen, moorigen Boden ist die üppigste Vegetation, ein titanenhaftes Streben der Pflanze zu dem Himmel empor — nach Sonnenlicht und Freiheit. Aber unter ihnen ist bald ein Teppich von Heidel- und Preisselbeerkraut mit schwarzblauen und rothen Früchten, bald eine Decke von Haidekraut mit blaßrother Blüthe weithin ausgebreitet, und emsig verhüllen die mannigfachen, weichen, grünen Moose das Grau des Bodens. Hier und da sind Büschel von wildem Rosmarin und Farrenkraut in jenen Teppich gewebt. In der Tiefe wie in der Höhe arbeiten die Kräfte des Waldes, der Natur.
Nicht bloß in seiner kräftigen, frischen Vegetation reizet der Wald; er ist auch die Wohnung des scheuen, flüchtigen Wildes. Einst waren gegen 8000 Morgen des Revieres um das Jagdschloß herum eingezäunt. Der Fürst ließ das Gehege niederreißen, „weil er kein zahmes Wild haben wollte.“ Der jetzige königliche Standesherr hat den Wildpark bedeutend vergrößern lassen, so daß er über 12000 Morgen umschließt. —
Es gewährt eine gar hohe Freude, dem sinnigen Treiben der Thiere in ihrem Bereiche zu lauschen. — Der Sonnenball, dessen Strahlen den Maiwuchs getrieben, ist im Sinken, und wie auf goldigem Grunde ruhet der Wald. In seinen Tümpeln quaken die Frösche eifriger ihr Abendlied, und die Vögel[S. 38] ziehen nach ihren Ständen, zu träumen von den Freuden des Tages. Nur die geschwätzige Haidelerche und das spröde Schnepfenweibchen können die Ruhe noch nicht finden; doch der Kauz ruft, der Nachtwächter des Waldes. Die heilige Nacht lagert sich über die Erde, und in dichte Schatten gehüllt stehet der Wald. Da dringt von dem Himmel schwaches Dämmerlicht durch die Bäume. Kurz ist die Ruhe der lebensfrohen Waldbewohner. Und es folgt der scheue Auerhahn, der schlaue Birkhahn dem Locken seiner Hühner, und in der Leidenschaft trifft ihn des Jägers Blei. Die Lerche weckt in dem Herzen die Morgenandacht. Dompfaffen, Finken und zahllose Meisen stimmen ein in den Gesang, und die schwarzen Krähen verlassen das Heiligthum des Waldes. Geschäftig fliegt der Holzhäher von Stamm zu Stamm, der Kuckuck erhebt seinen Ruf, an den hohlen Bäumen hämmert der Specht, und auf den Lachen sucht sich die Ente ihr Frühstück. Rührig wie in Zweigen und Lüften ist es auf der Erde. An des Waldes Saum eilet die Hirschkuh, ihr zur Seite das Wildkalb. Scheu blickt sie in mütterlicher Sorge um sich her, ehe sie den Halm erfaßt, während der starke Hirsch schon längst auf dem grünen Plane weidet. In freudigen Sprüngen bricht das Reh und der Dammhirsch aus dem Gebüsche hervor; aber behutsam schleichend verläßt der Fuchs, der Diplomat der Haide, seinen Bau, an Schalkheit Marder und Iltis überbietend. Langsam geht die Sau mit den Frischlingen aus ihrem Lager. — Die Morgensonne steht in voller Pracht am Himmel. Immer lebendiger wird’s im Walde. — Von Ast zu Ast tanzet in verwegnen Sprüngen das Eichhörnchen; an des Dickichts Rande sonnet sich die Schlange; rastlos bauen die Ameisen; Libellen flattern von Halm zu Halm, und zahllose Käfer und Fliegen sind wach geworden. O schöner Lenzes-Morgen im Walde! Welche Freude bringst du dem Herzen! Wie erschließest du den spähenden Sinnen das geheimnißvolle Treiben in dem Reiche der Thiere! Wie zeigst du ihre Leidenschaften, ihre Kämpfe, ihre Siege, die große, wunderbare Staatsökonomie derselben.
Doch Aegidi ist da, und einen neuen Reiz hat der Wald. Auf den Feldern hat der Landmann seine Ernte gehalten mit Sichel und Sense; es beginnt die Ernte des Jägers im Wald[S. 39]reviere mit Pulver und Blei. Der Wald wird die Stätte kühner und blutiger Thaten. Wohl gewähret die Jagd dem, der sich ihren Reizen erschlossen hat, allenthalben ein großes Vergnügen, wenn er auch nur des flüchtigen Hasen oder des schüchternen Rebhuhns wegen das Feld durchschweift; aber mächtiger zieht es den Jäger in den Wald, wo das Hochwild ist. Da erfüllt sich die Brust mit Muth wie vor einem nahen Kampfe; da bemächtigt sich des Waidmanns ein ritterliches Gefühl, ähnlich dem, das den Kämpfer gegen die Ungeheuer des Waldes in einer Zeit beseelte, wo noch nicht das Feuerrohr, sondern Schwert, Bogen und Lanze die Waffe war, mit der er den Bär, den Auerochsen, den Eber u. s. w. erlegte; da werden Triumphe der Kraft, der Ausdauer, der Gewandtheit und Entschlossenheit gefeiert, und wie zu großen, kühnen Thaten zieht der Jäger, wenn die Sterne erlöschen, am frischen Herbst- oder Wintermorgen in frischem Muthe in den Wald. Mancher Eber, der verwundet, vor Zorn knirschend, seinen Mann annahm, ist in dem Reviere um das Jagdschloß erlegt worden; mancher stattliche Hirsch ist dort unter dem Feuer zusammengebrochen. Eine der größten Jagden war 1821 zu Ehren des Staatskanzlers Hardenberg. — Während das Hochwild anderwärts immer mehr verschwindet, dauert es hier fort, und auch in dieser Beziehung ist die Haide um das Jagdschloß wie ein Ueberrest eines Urwaldes. —
Die Freuden der Jagd sind nur für Wenige; aber Jedem will der Wald eine Freude bieten. Die Befriedigung, welche er gewährt, ist bedingt durch die Stimmung, in welcher er betreten wird. Das Kind, dessen Seele die Stürme des Lebens noch nicht bewegten, geht, geleitet von schützender Hand, in den friedlichen Wald und freuet sich der lieblichen Waldblumen. Es windet sich aus ihnen einen Strauß, es windet seine Liebe zur Mutter hinein und gar lange und gern gedenkt es des schönen Waldes. Andere Blumen hat der Wald für den, dessen Herz der Liebe Macht gerühret. Inniger wird in der tiefen Ruhe der Natur das Sehnen der Seele; näher tritt ihr in der Einsamkeit das Bild, in das sie sich versenket; wie der Wald in frischem, grünen Leben athmet, schlägt das Herz in Wonne und seligem Glücke, und unvergeßlich bleibt die schöne Stunde, in[S. 40] dem Walde verlebt, allein und doch nicht allein. — Eine andere Gabe hat der Wald, der hohe, kräftige Wald, für den, hinter welchem, wie hinter jenem, eine lange Vergangenheit liegt. Da, wo unter kräftigen, alten Stämmen, neue frische Bäumchen emporwachsen, tritt in dem Immergrün des Waldes die Erinnerung an uns heran. Und sie führet uns zurück an diesem traulichen Plätzchen in die Tage und Träume der Kindheit, in die herrlichen Tage der Jugend, wo in der schwellenden Lebenskraft voller mannigfache, hohe Ideale der Seele entblühten. Sie kommen wieder die alten, hohen Gestalten, die einst mit wunderbarer Macht das Getriebe des Geistes bewegten, und gern gedenken wir der Stunde, in welcher wir in dem Walde verweilten, an dem Borne der Erinnerung, der uns gestärkt und erquickt hat. — Und eine andere Gabe hat der Wald für den, der sich losreißt aus dem Regelzwange, der ihn täglich umgiebt: — in ihm ist Freiheit und Wahrheit der Natur! Einen reichen Trost hat der Wald für den Betrübten: — da ist es, als wenn die Zweige mitfühlend sich senkten, als wenn ersterbende Aeste das Loos des Verwelkens theilten, als wenn des Lebens Kräfte sich neu gestalteten über Verlusten, Trümmern und Ruinen. Eine Gabe, eine Freude, eine Befriedigung hat für Jeden der Wald! — Hierin aber thut es diesem Walde mancher andere gleich. — Aber worin liegt der eigenthümliche Reiz, welchen grade das Jagdschloß mit seinen nächsten, mit seinen entfernteren wilden Umgebungen auf das Gemüth ausübt? In demselben Genusse, der uns wird, wenn wir in das Epos das liebliche Idyll eingeflochten finden. In unwiderstehlichem Zauber wirkt dieser Gegensatz, oder vielmehr dieser Verein des Erhabenen und Ernsten mit dem Lieblichen und Heitern in dem klassischen wie in dem romantischen Epos. Der Meister der Sänger, der alte Homer, lenket gar oft den Blick von seinen Helden, von ihrem Ringen um Ilion, von den blutigen Preisen desselben, auf des Hauses friedlichen Kreis, wo die Andromache den geschäftigen Dienerinnen gebietet, wo sie webt an herrlichen Gewändern; der göttlicher Dulder Odysseus findet nach Wogen und Stürmen, in welchen ihn des Poseidon Groll verfolgte, manche liebliche, idyllische Stätte, sei es bei der Kirke, sei es bei den Phäaken; selbst im alten Testament erhält das herrliche Familien-[S. 41]Gemälde, das Buch Ruth, abgesehn von Anderm, einen hohen Reiz, weil es mitten in die Kämpfe der Richterzeit eingezeichnet ist. Und so findet sich, wollten wir weiter blicken, gar oft das Idyll in das Epos meisterhaft eingewebt. Wie Idyll und Epos verhalten sich die näheren und entfernteren Umgebungen des Jagdschlosses. —
Da ist ein freundliches Schlößchen dazu bestimmt, von Zeit zu Zeit Glieder einer hohen Familie aufzunehmen; da sind des Schlosses wegen, in der Nähe desselben, einige Gebäude, in welchen die Stille des Waldes von den Geschäften des Lebens unterbrochen wird. Gar freundlich sind die nächsten Umgebungen der Gebäude. Blumen- und Strauchgruppen verrathen die Hand, die sie sorgfältig, um zu erfreuen, gepflanzt hat. Theils vereinzelt, theils in Gruppen folgen Bäume, deren Anblick den Frohsinn weckt: Linden mit ihrem lebhaften Wuchse, Weiden, Erlen, Akazien, Birken mit ihrer weißen Rinde, Ahorn und Eschen mit ihren leichten Kronen. Die garten- und parkartige Umgebung des Schlosses zeigt von ihrem Zwecke, dann und wann die Stätte reiner, ländlicher Freuden zu sein, zu welchen es mächtig zieht aus dem Glanze der Paläste und den gemessenen Formen des Lebens. Sie trägt den Charakter des Idylls. — Doch den Epos hat der nahe Hochwald. Da ist Unwirthlichkeit und Wildniß; da hat nur die Natur gewirkt. Düstere Fichten wechseln mit Kiefern, Tannen und Eichen. Die kräftigen gigantischen Gestalten derselben scheinen nach einem Preise zu ringen, nach dem des Hervorragens und der Höhe. Sie suchen gleich Helden ihren Feinden zu trotzen: der Zeit, den Stürmen und Blitzen. Feierliche Stille, geheimnißvolles Schweigen wie vor großen Thaten herrscht im Walde, und wie das Epos bringt er das Gefühl des Erhabenen und Ernsten.
Der Genuß der Natur und die Freude an derselben hängt von den Voraussetzungen für dieselbe in unserm Leben ab. Sie spiegelt die Zustände desselben wieder. Daher aber wird das Jagdschloß mit seinem herrlichen Walde einen bleibenden Reiz behalten für die, deren Leben mehr oder weniger Epos ist, für die, welche durch Rang und Geburt dazu bestimmt sind, einzugreifen in die Gestaltungen der Zeiten und menschlichen Verhältnisse, für die, denen so ein Kranz des Ruhmes wie die in[S. 42] dem eposgleichen Leben von Zeit zu Zeit die Freuden und den Frieden der Natur suchen, um sich zu neuen Thaten zu stärken — das Idyll in dem Epos. Deshalb aber hat Fürst Pückler-Muskau, wie Andere, das Jagdschloß besonders geliebt, und gern weilt daselbst der jetzige, mächtige, königliche Standesherr, wenn er aus den fernen Niederlanden, aus dem Glanze des Hofes nach Schloß Muskau mit seiner grünen Umgebung kommt.
Schöner, grüner Hochwald! Wer hat dein Heiligthum so herrlich aufgebaut? Aus dir selber tönet die Antwort: der Meister der Meister, der Herr der Welt! Doch wir treten in dein mystisches Dunkel, um bei Einzelnem zu verweilen.
Kaum ist man auf einem der schmalen Wege vom Schlosse aus in den Wald eingedrungen, so öffnet sich ein liebliches Plätzchen. Ein kleiner Teich wird ringsum vom Walde umschlossen, der hier in dem frischesten, üppigsten Wuchse grünt. Selten kräuselt sich, von den Bäumen und Sträuchern geschützt, seine Fläche in Wellen, und der Teich ist wie ein Spiegel des Waldes. — Dieser kleine Teich war schon früher, als seine Ufer die jetzige, reizende Form erhielten; aber nur von Zeit zu Zeit. Schmolzen in den Strahlen der Frühlingssonne endlich auch das Eis und der Schnee der Wälder, flossen nach längeren Regengüssen voller die Quellen und Waldbäche, so sammelte sich hier das Wasser. Dann aber zeigte der Teich dem, der sich ihm nahte, wie im Spiegel die Gestalt, und gar gern weilte an demselben das Landmädchen; denn hier war ihr zu schauen vergönnt, was die ärmliche, dunkle Kammer nicht bot, ihr eigenes frisches, liebliches Bild.
Diese Partie des Waldes fand bald ihre Würdigung durch den Fürsten. Das Waldwasser wurde in dem Teich auf’s Lieblichste gebettet, und die Ufer desselben erhielten schöne Formen. An seinem Süd-Westende ist ein Brückchen mit einem Geländer von Fichten-Zacken. In der Nachmittagssonne ist die Spie[S. 43]gelung am vollkommensten und klarsten. Seine Anmuth erhält der Teich und dessen Umgebung durch den Charakter des Traulichen und Lieblichen mitten in dem Erhabenen und Ernsten, das dem Walde eigen ist, durch den erhöhten Eindruck des ersteren, hervorgerufen durch den Contrast.
Jene Fläche des Teichs ist ein Spiegel eigner Art. Nicht ist er geschliffen in einer der berühmten Fabriken; die Natur hat ihn selbst aufgestellt. Dichter drängen sich um den Teich die Bäume, als liebten sie dieses Plätzchen vor allen andern, und, gleich als wollten sie sich verdoppeln, tauchen ihre Schatten in die Tiefe hinab und streben auch dort zum Himmel empor. Schüchtern naht sich dem Wasser der stolze Hirsch; doch rings umher ist Ruhe und Stille. Es schauet sein Auge das prächtige Geweih, die schlanke Gestalt im Wasser, und, wie gleichmäßig befriedigt durch den Trank und durch sein Bild, zieht er in den Wald zurück. — Im reinsten Blau wölbt sich an einem jener herrlichen Herbsttage der Himmel über dem Walde und dem Teich, aber da unten auf seinem Grunde ist er noch einmal. Die zahllosen Sterne der Nacht sind aufgestiegen; aber ihr Wiederschein, ihr freundlicher Glanz, ist in die Tiefe des Teich’s hinabgestiegen. Der Mond durchbricht das Gewölk; aber er durchbricht auch das Dunkel des Wassers. Die Sonne, die Königin des Tages, steht hoch am Himmel. Nicht vermag das Auge ihre flammende Majestät zu ertragen; aber in der Tiefe des Teich’s glänzet ihr milderes Licht. —
Am lieblichsten ist der Teich an einem jener sonnenreichen Herbsttage. — Da waltet hohe Freude durch die Standesherrschaft. Wie mit bunten Flaggen und Wimpeln hat sich der Park Muskaus in der Färbung seiner Baumgruppen geschmückt. Festlich geziert und geöffnet stehet das Jagdschloß. Wie zur Revue treten die Anlagen der Wiese, eine lieblicher und reizender als die andere, hervor, und tiefes, erwartungsvolles Schweigen waltet durch den kräftigen, grünen Wald. In des Himmels Schutze ist der königliche Standesherr aus den meerumrauschten Niederlanden in sein Muskau, in das Waldrevier um das Jagdschloß zurückgekehrt.
Feierliche Stille lagert um den kleinen Teich. Glätter und krystallner ist sein Spiegel; frischer grünen die Tannen und[S. 44] Fichten an seinen Ufern; klarer und schweigsamer fallen ihre Schatten in die Tiefe, der grüne, herrliche Rahmen eines hohen, erhabenen Bildes zu sein. — Und an das Ufer des Teich’s tritt der mächtige, milde Herr der Herrschaft, an seiner Seite die hehre Gemahlin, deren königlicher Sinn sich wiederspiegelt in der Tochter lieblicher Hoheit. — Und sie freuen sich der schönen Stätte in dem Palaste des Waldes. Doch wie verstohlen, aber treu zeichnet der Teich das hoheitsvolle, königliche Bild. Schon strahlt es wieder aus seiner Tiefe! O trage es sicher und treu, du heller Spiegel des Waldes!
Ueber sich den freundlichen, blauen Himmel, unter sich in der Tiefe des Teich’s desselben Himmels reines, klares Bild, selbst mitten inne in dieser wunderbaren Spiegelung, in dem seligen Gefühle der Beglücker und Wohlthäter von Tausenden zu sein: was bedarf es wohl mehr zu freudenreichen Augenblicken in der Einsamkeit und Stille des Waldes?
Tiefer in den Wald führet der schmale Pfad. Wie unerschöpflicher Lebensmuth umgiebt uns allenthalben frisches, fröhliches Grün. Dicht an uns herantreten zu beiden Seiten des Weges der Bäume hohe, kräftige Gestalten. Ihre Gipfel trinken der Sonne Licht, der reinen, freien Lüfte Strom; ihre Wurzeln saugen unaufhörlich in langen Zügen der Erde Kräfte, und den Mächten des Himmels wie der Erde liebevoll hingegeben, durchwogt frisches, volles Leben den Wald bis in das äußerste Zweiglein hinein. — Herrliche Bäume des Waldes, Gleichnisse unseres von Himmel und Erde vereint gewährten Daseinsglückes, wie wird es uns so wohl in euern grünen Hallen! Wie berühren uns da kräftiger und erfrischender die Wellen aus dem Strome des Lebens! Wie trifft uns da wunderbares Wehen als würden wir hineingezogen in das Weben und Arbeiten der Kräfte der Natur! Voller schlägt das Herz, freudiger wie in Andacht jauchzet jeder Nerv dem Herrn des Lebens, und des[S. 45] Daseins reichste Empfindung wird uns in dem grünen, heiligen Walde.
Doch siehe! was taucht dort aus dem Walde hervor? Es gleichet einem fahlen, bleichen Schemen, einem Gespenste der Nacht; es ist wie eine Gestalt aus dem Reiche der Todten. Mitten unter den grünen Bäumen steht eine erstorbene Eiche mit weißem Stamme und kahlen Aesten und leises Grauen beschleicht uns beim Anblicke der Todten. Lange schon ist der Baum eingegangen; aber noch immer hält er sich aufrecht, als sträubte er sich, Staub und Asche zu werden. Seine Säfte sind versiegt; aber noch immer dauern Stamm und Aeste fort wie die Knochen eines Gerippes. Regungslos steht der entblätterte Baum. Oft ist der Lenz wiedergekehrt, der Natur ein fröhliches Auferstehen zu bringen; aber die entschlafene Eiche hat er nicht zu erwecken vermocht. Mancher Sturm hat sie gerüttelt und die umstehenden Bäume gebeugt, als sollten sie die Schwester fragen: „Lebst du noch?“ — doch starr und stumm ist „die Todte“. Zahllose Thautropfen hat die Nacht gleich Balsam des Himmels auf die Erblaßte geträufelt; aber wie Thränen, dem Todten geweint, perlten sie an den Zweigen benachbarter Bäume. Vergebens sendet der Todten die Morgensonne ihren Strahl, vergebens trifft sie des Mondes Silberlicht: was einmal dem Tode verfallen, kehrt hienieden nimmer zum Leben zurück. Mitten unter ihren lebensfrischen Schwestern ist sie eine Beute des Todes geworden die herrliche, starke Tochter des Waldes. Ein früher Sabbath ist ihr gekommen. Sie schläft, umhaucht von dem Dufte des Waldes, wie der Leichnam unter Blüthen und Blumen. Die Strahlen des Abendrothes, die sie durch die dichten Zweige der Bäume finden, sind wie der Glanz der Kerzen, der auf ein Todtenangesicht fällt, die Schatten der Nacht, die sich über den Wald lagern wie ein Trauerflor, und rauschen die Abendwinde durch die Gipfel der Bäume, dann ist es, als wenn sie klagten um die Todte in ihrer Mitte. —
Unwiderstehlich fesselt uns jener Eichbaum, losgerissen von den Einwirkungen der Kräfte des Lebens. Er ist wie ein Monument des Todes. Er gleichet mitten in dem lebensfrischen Walde einer jener Mumien, welche einst die Aegypter zu ihren[S. 46] Freudenfesten brachten, um sich durch den Anblick derselben zu mahnen, die flüchtige Freude recht zu genießen. Er stehet da, wie eine Marmor-Büste in einer festlichen Halle, welche reiches Leben durchwogt, wie ein ehernes Standbild, das dennoch in seinem Schweigen redet. — Ein leises Grauen umfängt uns, und schüchterner strömet das Blut aus dem Herzen durch die Pulse. Wir gedenken der Stunde, wo wir selbst wie jene Todte sein werden — regungslos, stumm und bleich mitten in dem sich erneuenden, vollen, uns überdauernden Leben. Doch den Wald durchwoget des Daseins Fülle, und weiter ziehet es uns in denselben hinein. O trage uns, starker Strom des Lebens, bis du uns sinken läßt, wie jenen Eichbaum, — die Todte!
Die Vorstellung, daß Blumen, Sträucher und Bäume, besonders die, welche über Gräbern wachsen, in irgend welcher Beziehung zu den Todten stehen, findet sich in der Poesie vieler Nationen. Sie stammt aus einer Zeit, wo der Glaube an das ewige Leben noch nicht tröstete. Man suchte in dem Schmerze einen Ersatz für den Entrissenen. In die Grabesblume blühte das verwelkte Leben hinein; oft trugen ihre Blätter Inschriften. Diese Vorstellung findet sich in alten, deutschen Volksliedern, und selbst der sentimentale Mathisson hat in dem bekannten Gedichte „Adelaide“ einen Vers, an welchen Professor Koberstein seine Abhandlung über die Todtenblumen angeschlossen hat, welcher also heißt:
Auch der slavischen Poesie ist jener Zug eigen. Freunde, besonders aber Liebende, welche ein widriges Geschick im Leben von einander trennte, vereinte die Erde. Die Pflanzen des[S. 47] Grabes gaben Kunde von dem Glücke im Tode. So spricht in einem wendischen Volksliede, s. Haupt 2, 48, ein Mädchen, welches dem entrissenen Geliebten in das Grab nachfolgen will:
In einem andern wendischen Volksliede s. Haupt 1, 50, spricht das Mädchen, welches an dem Kreuzweg neben den Geliebten begraben sein will, da, wo die Leute zur Kirche gehen, damit sie gedenken der großen Liebe:
Die Sage hiesiger Gegend läßt das Glück der Wiedervereinigung sich noch weiter fort setzen. Nicht blos die Ranken und Bäume über den Gräbern streben nach Vereinigung, sondern auch die neuen Pflanzen, welche aus jenen hervorgehen, werden mächtig von einander angezogen.
In einem Dorfe der Lausitzer Berge wuchsen zwei liebliche Kinder heran. Aus der Jugendfreundschaft erblühte die feurigste Liebe; aber die Eltern waren gegen das Glück, das Beide gehofft hatten. Ueber die Berge gen Böhmen mußte der Jüngling ziehen, um einer Fremden angetraut zu werden und so viel Gut zu erhalten. Einem Andern, als ihm, mußte das Mädchen die Hand reichen. Wohl sprach der Scheidende zu ihr, der sein Herz gehörte: „Laß sie nur grollen und thun, was sie wollen: wir werden verbunden darum doch sein;“ wohl tröstete die Betrübte: „Wird es nicht heuer sein, so wird es zu Jahre sein: wir werden verbunden darum doch sein.“ Haupt 1, 123. — Ein früher Tod riß die Letztere dahin. Einige Jahre darauf kehrte der, der ihrer in der Ferne nimmer vergessen hatte, zum Besuche in das Dörfchen zurück. Es sollte nun wieder seine Heimath werden. Er starb. Dicht neben der früh[S. 48] Entschlafenen an der Kirchhofsmauer wurde ihm sein Grab. Der Tod vereinte, was das Leben getrennt hatte, obwohl es für einander gehörte. Derselbe heimathliche Boden umschloß die Todten. — Doch siehe! zu Häupten jedes dieser beiden Gräber entkeimte im nächsten Frühlinge ein Fichtenbäumchen. Aufs Kräftigste wuchsen die Pflanzen heran, als wollten sie bald das Ziel erreichen, ihre Aeste in einander zu verschlingen. Wie von geheimer Macht angezogen, neigten sie sich, je höher sie sich erhoben, desto mehr zu einander. Jedermann freute sich des schönen Fichtenpaares, der Zierde des Kirchhofs. So hatten jene beiden Fichten lange Zeit neben einander über den zerfallenen Gräbern gestanden und mehr denn eine Generation in die Erde sinken sehen. Sie waren schon sehr alt geworden. Endlich sollte das Sinken und Vergehen auch an sie kommen. Ein furchtbarer Orkan durchbrauste die Wälder der Lausitz. Er brach auch die Fichten des Kirchhofs. Sie stürzten beide zu derselben Stunde. Der Sturmwind hatte seine beste Kraft aufbieten müssen, um die Bäume zu werfen, die nicht von der Stätte weichen wollten, wo sie so lange vereint gestanden hatten. Endlich erlagen sie der Macht des wilden Elementes. — Jener Orkan brauste von den Bergen in das Flachland. Seine Wirbel hatten Manches in die Höhe getrieben, und dichte Staubwolken flohen vor ihm her. In einer derselben durchschifften Streifchen aus den Zapfen jener gefallenen Kiefern die Luft. Zwei derselben wurden weithin getrieben; aber nahe bei einander sanken sie nieder und wurden von der Erde bedeckt. Und wiederum wuchsen zwei Bäume, von des Himmels Mächten geschützt, kräftig empor. Viele Jahre sind an ihnen vorübergezogen, und mancher Baum des Waldes, der neben ihnen grünte, ist nicht mehr. Ihre Häupter sind an einander gelehnt, hoch in den Lüften reichen sie sich die mächtigen, starken Arme, und flüstert es in ihren Zweigen, dann ist es, als erzählten sie sich die Geschichte des Scheidens und der fröhlichen Wiedervereinigung.
In dem innigen, stillen Werden und Sichentfalten der Pflanze schaute man einst die Fortsetzung eines Lebens an, welchem ersehntes Glück nicht wurde. Der Tod war nicht das Letzte. Wie in einer Unterwelt setzten sich in dem Gebiete der schweigsamen Pflanzen menschliche Schicksale fort, fanden sie dort[S. 49] ihre Ausgleichung, Versöhnung und Vollendung, und das Herz fand also Trost in seiner Verstimmung über harte Loose. — Und so erzählte einst die Pflanze, der Baum von Freud und Leid. — Jene Sage von dem Fichtenpaare ist darin eigenthümlich, daß sich das Wiedervereinigen und Angezogenwerden weithin fortsetzt. Sie tritt uns in die Seele bei dem Anschauen herrlicher Fichtenpaare in dem Walde um das Jagdschloß. An einander gelehnt stehen die alten Stämme, und die Vereinigung ihrer Zweige gleichet einer Umarmung nach bittrer Trennung.
Anmerk. Aehnliches erzählt eine serbische Ballade. Brat. Aesthetik d. P. S. 60.
Bekannt sind der Schluß von Tristan und Isolde, sowie die Metamorphosen in Pflanzen bei Ovid u. A. Aus dem Grabe des Adonis entkeimt die Anemone, aus dem Blute des sterbenden Ajas das Delphinium Ajacis — Rittersporn — Ipse suos gemitus foliis inscribit et Aia — flos habet inscriptum. — An der Quelle, wo der schöne Narcissus seinen Tod fand, erblühte die Blume, welche fortan seinen Namen trug. Protesilaus sprang bei der Landung der Griechen an der trojanischen Küste zuerst an das Land und wurde von einem Troer erschlagen. Aus seinem Grabe schossen immer und immer wieder Bäume auf, die aber verdorrten, so bald sie hoch genug waren, Ilion zu erblicken.
Auf den Gipfeln der Berge öffnet sich ein weiter Horizont; aber im Flachlande der Lausitz ist der Blick gehalten durch die vielen Haiden. Nur dem Vogel ist es vergönnt, sich empor zu schwingen über die höchsten Forsten und seine grüne Heimath zu überschauen. — Unweit des Jagdschlosses auf einer sanft[S. 50] ansteigenden Bodenerhebung hat der Fürst einen hölzernen, hohen Thurm errichten lassen, dessen Schnörkelwerk an den chinesischen Styl erinnert. Auf jeder der sechs Etagen ist man höher über den Wald emporgetaucht. Eine herrliche Aussicht bietet sich dem Blicke von dem Pavillon der Spitze.
Die Kronen der Bäume, die sich vor Kurzem so stolz über uns wiegten, liegen tief zu unsern Füßen. Würziger Föhrenduft steigt zu der Höhe empor, die wir erklommen haben. Des Waldes Nacht, sein Geheimniß stellt sich uns schöner dar, da wir wissen, was der grüne Schleier birgt, der sich weithin vor uns ausbreitet. Wie eine Freude unseres Lebens, die so eben scheiden will, grüßet uns noch einmal der Wald, und wir erwiedern seinen Gruß und sprechen: „Herrlicher Urwald der heimathlichen Lausitz, habe Dank für die Freude in deinen Hallen!“
Doch je näher dem Himmel, desto reicher und freier der Blick! Und in die weite Ferne dringt des Auges Kraft von der Höhe des Thurmes. Wie ein Wolkengebilde am Horizonte ziehen sich auf der Grenze Böhmens und Preußens die Gebirge Schlesiens hin, und nur die schneebedeckten Gipfel derselben haben ein helleres Licht. Hinter ihnen sammelt die Elbe ihre Gewässer. Von dorther durchziehen herrliche Nebenflüsse der Oder alte, ruhmreiche Schlachtfelder, zu mehren des Stromes Macht und Bedeutung. Aber klarer, weil näher, erhebt sich im Süden das Lausitzer Gebirge, und freundlich schauen seine Höhen in die Ebene hinaus. Von vulkanischen Kräften aufgethürmt, tritt aus dem Gebirgszuge die Landeskrone stolz hervor, und unweit derselben ist die alte, ehrwürdige Sechsstadt Görlitz. Manches liebliche Thal und freundliches Dörfchen umschließen die Berge, die sich von da gen Westen ziehen. An ihrem Fuße liegt das alte Budissin, die Zierde Sachsens, mit seinem Schloß Ortenburg. Als dort den 23. März 1645 der Standesherr von Muskau, der tapfere Curt Reinicke von Callenberg, unter feierlichem Gepränge als Landvoigt des Markgrafenthums Oberlausitz introducirt wurde, war das Schloß arg verwüstet. Der schwedische General Banner hatte 1639 seinen Groll gegen Sachsen an dieser Burg ausgelassen. Durch Callenbergs Sorge wurde sie wieder hergestellt. — Aus jenen Bergen im Süden[S. 51] bricht die Neiße hervor und gleich dem Blute in den Adern des Sanguinikers eilt sie über ihr sand- und kieselreiches Bette durch die Haiden der Lausitz der Oder zu; — phlegmatischer schreitet von den Höhen in Südwesten die schwarze Elster, sich oft in ihrem Laufe zertheilend, zwischen schilf- und kalmusbewachsenen Ufern ihrer Elbe zu: aber der Strom der Lausitz ist die Spree, welche von da nach der Mark zieht. — Ueber mehrere Hügel, unter denen sich besonders die Königshainer Berge mit dem Todtensteine, jener alten heidnischen Opferstätte, auszeichnen, gleiten die Blicke zu der Ebene herab. Hier und da öffnet sich der Wald, und eine Feldmark, ein Dorf mit Kirche und Thurm wird sichtbar. Wohl giebt es reichere und schönere Fluren als die der Lausitz; aber selten trügt hier die Hoffnung auf die Ernte, und mancherlei Früchte, von dem edlen Weizen bis zu dem Buchweizen mit rothweißen, honigduftenden Blüthen, trägt das Land, in welchem eine herrliche Blume nicht verwelcket — die Zufriedenheit seiner Bewohner, die Liebe zur Heimath! — Wie eine Insel, ringsum von dem Germanismus umfluthet, ist die Heimath der Wenden. Starke, kräftige Söhne der Natur haben sie auf einer Fläche von siebenzig Quadratmeilen ihre Nationalität durch Jahrhunderte erhalten. Unter ihnen ertönen, besonders in zwei Dialekte schattirt, die Klänge einer Sprache, welche mehr als andere nach dem fernsten Osten, nach Indien, hinweist und welche unter ihren Schwestern desselben Sprachstammes theils der böhmischen, theils der polnischen ähnlich ist. Namen, Sagen und Gebräuche der Gegend sind wie Denkmäler einer Zeit, von welcher keine Historie berichtet. — Die Volkslieder der Wenden waren einst unbeachtet und wenig gekannt. Sie glichen einfachen Feld- und Waldblumen, deren sich Hirten und Ackerbauer freuten und die ihren Lebensweg schmückten; aber als man herniederstieg von den Höhen der Bildung zu den Thälern und Gründen, in welchen das Volk weilt, erkannte man, daß jene Volkslieder, wie auch anderwärts, emporgeblüht waren nach unbewußten Gesetzen der Schönheit aus dem ewig schöpferischen Schooße der Nation, frisch in ihrem hohen Alter, von seltner Pracht und Mannigfaltigkeit. Manche dieser Blumen, gepflückt in den Wäldern der Standesherrschaft, ist hineingewunden worden in den[S. 52] Kranz der Volkslieder der Wenden in der Ober- und Niederlausitz.
Wir versetzen uns von des Thurmes Höhen in eines jener Dörfer, welche wir von dort aus erblicken. In der Mitte desselben ist die Kirche und der Kirchhof. Die Dorfflur ist mit Weiden, Linden und andern Bäumen bepflanzt. Die Häuser bilden eine einzige breite Gasse. Sie sind meist aus Schrotholz aufgeführt, und über dem Giebelfenster ist ein frommer Spruch. Noch immer, wie einst, liegt in der Wohnung des Wenden das Brot fortwährend auf dem Tische, um den Hungrigen gebrochen zu werden. Die starken, frischen Menschen, welche uns das Pomhaj bóh! zurufen, hat die Arbeit auf dem Felde und die einfache Nahrung gekräftigt. Mancher Sohn der Lausitz ziert durch seine herkulische Gestalt die Reihen preußischer und sächsischer Krieger. Durch Muth und Tapferkeit hat sich der Wende, wie einst in den Jahrhunderte langen Kriegen gegen die Deutschen, so immerdar ausgezeichnet, und selbst die Franzosen kannten recht wohl les bouchers Saxons, das schöne, tapfere Dragonerregiment, Prinz Johann, welches meist aus Wenden bestand. Mitten unter jenem Völkchen wohnt die Heiterkeit und Fröhlichkeit. An den Gemeindefesten, bei der Arbeit auf Feld und Flur ist ein fröhliches Singen und Scherzen, und kommt der Winter, dann ist die Spinnstube mit ihren Regeln und Ordnungen die Stätte harmloser Freuden. Ein herrlicher Zug in dem Charakter des Wenden ist die Treue. Wohl ist ihm ein gewisses Mißtrauen eigen; aber es ist nicht ursprünglich, sondern im Laufe der Zeiten entstanden durch mannigfaltige Bevortheilungen und Mißhandlungen von Seiten der Deutschen. Dennoch hängt der Wende in unverbrüchlicher Treue an denen, welche sein Vertrauen haben, und liebt sein Vaterland in reiner, lautrer Liebe. Die liebste Stätte ist ihm seine Kirche. Nimmer ist sie leer, weder in der Hitze des Sommers, noch in den Unwettern des Winters. Bei jeder Mahlzeit, so oft die Betglocke ertönt, falten sich die Hände zum Gebet, und Lebensgewohnheiten und Begrüßungsformeln weisen hin auf den tiefen, religiösen Sinn, den Grundzug in dem Charakter des Wenden. Es ist die Religion, an welche sich diese sinkende Nation hält, und die ihr, der ersterbenden, Trost und Frieden bringt.
Wir mischen uns weiter unter jenes Völkchen mit seinen ursprünglichen, eigenthümlichen Sitten und Gebräuchen. — Das Krumbholz ist von Haus zu Haus getragen worden und hat die Gemeinde zur Gromada gerufen, im Sommer unter die Linde des Dorfes, im Winter in die Schenke. Innerhalb der strengen Gesetze und Ordnungen der Versammlung entstehen heftige Wortgefechte; aber sie führen durch Prüfungen und Erwägungen zur Verständigung, und gar fest wird an den Beschlüssen der Gemeinde gehalten. — Doch dort bewegt sich ein Hochzeitszug durch das Gefilde! Von dem ersten Wagen ertönt Musik, die Töne der Tarakawa, der dreisaitigen, wendischen Geige und des Dudelsacks. Den zweiten Wagen hat die Braut mit ihrem Ehrengeleite, den dritten der Bräutigam mit dem seinigen bestiegen, und es folgen noch viele Wagen mit jubelnden Gästen. Eine Hauptperson ist der Družba, wie der Brautwerber, so der Ordner des Festes. Das Haupt der Braut ist mit grünseidenen Bändern umwunden, und den Scheitel schmücket ein Rautenkränzchen. Gar stattlich ist das frische, tiefbusige Mädchen in ihrem schwarzen Jäckchen, welches über der Brust von farbigen Schnuren gehalten wird, in dem hundertfaltigen Reifrocke, mit dem Rosmarin an der Seite des Herzens. Der Bräutigam trägt einen langen Rock. Oft mehrere Tage über dauert die Hochzeit mit ihren eigenthümlichen Gebräuchen bei der Trauung, beim Mahle, beim Tanze, dem Abzuge und Anzuge der Braut. — Auch bei den Kindtaufsfeierlichkeiten werden besondere Gebräuche beobachtet. Während der sechs Wochen betet die Wöchnerin, so oft die Betglocke ertönt, ein Vaterunser für ihr Kind an dem Wochenbette und sie entfernt sich nie aus der Stube ohne eine Bibel oder ein Gesangbuch in die Nähe des Neugeborenen gelegt zu haben. Nach dem Kirchgange nimmt die Mutter ihr Kind gewöhnlich mit auf das Feld. Es ruhet während ihrer Arbeit in einer Art Hängematte und wächst in freier Luft unter der unmittelbaren Sorge der Mutter heran. Die Trauertracht der wendischen Frauen ist ein langer, weißer Ueberwurf aus feiner Leinwand, in welchen sie sich vom Kopfe bis zu den Füßen einhüllen. Das Weiß als Trauerfarbe ist ihnen vor andern Völkern eigen und weiset, wie die Sprache der Wenden, nach Indien. Ist ein Bienenvater gestorben, so[S. 54] muß sein Tod den Bienen gemeldet werden. Ebenso werden die Pferde, wenn die Leiche aus dem Hause getragen wird, in den Ställen aufgejagt, um ihnen das Scheiden des Hausbewohners kund zu thun. An dem Abende vor dem Begräbnisse, welcher der wüste oder stille Abend heißt, versammeln sich die Dorfbewohner mit den Leidtragenden im Trauerhause, um ihn, oft bis tief in die Nacht hinein, durch das Singen von Sterbe- und Trostliedern zu feiern. Den Tod eines Familiengliedes zeigt oft die Wehklage vornweg an. — Mehr als bei einem andern Volke findet sich unter den Wenden der Aberglaube in Meinungen und Gebräuchen. Er ist eine Nachwirkung ihrer alten, heidnischen Naturreligion und zeigt, wie innig dieselbe mit dem Volksleben verflochten war; er ist von Interesse für den Historiker, besonders aber für den Psychologen, denn er läßt Blicke in die innerste Eigenthümlichkeit der Nation thun; er gehört zur Poesie des Volkes, wohl verschieden von dem kalten Unglauben, ja diesem gewissermaßen diametral entgegengesetzt.
Aber welche für die Menschheit bedeutungsvollen Ereignisse haben jene Fluren geschaut, über welche unser Blick von der Höhe des Thurmes schweift? Die Lausitz ist nicht so reich an historisch merkwürdigen Stätten, wie andere Gauen Deutschlands. Sie hat nach der Besiegung der Slaven durch die Deutschen bald unter brandenburgischer, bald unter böhmischer, bald unter kursächsischer Landeshoheit gestanden, und mehr oder weniger zertheilt und zerstückelt, das Loos der Staaten getheilt, zu welchen sie gehörte. Dennoch ist auch auf den Fluren der Lausitz mancher Kampf gekämpft worden. Hier wurde den Hussiten ein kräftiger Widerstand geleistet; hier rangen Schweden und Kaiserliche in dem blutigen, dreißigjährigen Kriege. In dem siebenjährigen Kriege theilte die Lausitz das Schicksal Sachsens. — Tausende durchzogen einst auf der alten Etapenstraße von Spremberg her die Standesherrschaft, um unter Napoleons Fahnen nach Rußland zu marschiren und dort ihr Grab zu finden; aber es ist das Schlachtfeld von Bautzen, der Stolz der Lausitz, auf welchen der Völkerbezwinger es zuerst inne wurde, daß die Nationen ein anderer Geist beseelte, wie sonst. Durch den Wiener Congreß ist dem größten Theile der Lausitzen das[S. 55] Glück geworden, unter den milden, preußischen Scepter zu kommen. Damals war wohl in dem Herzen so manches Patrioten der Wunsch, die Lausitzen möchten eine eigene Provinz des preußischen Vaterlandes bilden: — frischer hätten dann ihre Farben geglänzt, weniger hätte die Gegenwart mit der Vergangenheit und dem, was sich in ihr historisch gestaltet hatte, zu brechen gehabt; — aber zu großem Danke ist das Land den Königen von Preußen, seinen geliebten Herrschern, verpflichtet. —
Ja einst war die Lausitz eine der verachtetsten Provinzen, einst glich sie einem Paria unter den Gauen des deutschen Reichs. Tutti Frutti IV., 273. Aber wie die verachteten Parias des alten Indiens wahrscheinlich die ältesten Bewohner des Landes sind, welche nach langer, heldenmüthiger Gegenwehr unterworfen wurden, so lenket dieser Vergleich den Blick in eine ferne Vergangenheit, welche die Heldenperiode des Landes ist. — Da, wo diese Gegenden einigermaßen an das Licht der Geschichte treten, finden wir ein geordnetes, kräftiges Volksleben in ihnen. Ihre Bewohner haben Wohnung an Wohnung gereiht; sie treiben Viehzucht, Ackerbau und Gewerbe. Die freien Grundbesitzer haben sich unbeschadet ihrer Freiheit den reicheren untergeordnet, diese wiederum den mächtigeren, tapfereren und einsichtsvolleren. Die Knesen und Pane eines Gaues versammeln sich unter dem Vorsitze des Priesters auf ihr campus Martius, um über Volksangelegenheiten zu berathen und Recht zu sprechen, und die Sorben fühlen sich glücklich in ihrer Heimath und deren Unabhängigkeit. Sie kommen mit den Deutschen in Berührung. Es beginnt ein Kampf, der Jahrhunderte währt, ein Kampf für die Freiheit und den alten Glauben. Von der Hartnäckigkeit dieses Kampfes berichtet die Geschichte. Damals mochte manche hochherzige That vollbracht werden aus Liebe zu dem Vaterlande, und freudig mochte man ihm opfern Gut und Blut. Mancher Sorbe auf seinem „Goldfuchse“ mit blitzendem Schwerte mochte gewaltig ringen mit dem erzumhüllten, deutschen Ritter, und als sich die Deutschen in ihrer Herrschaft über die Lausitzen immer mehr befestigten, mochte der Freiheit noch lange Zeit ein Asyl sein in den dichten Wäldern der Standesherrschaft, wo die Vaterlandsfreunde ob der untergehenden trauerten. Doch vieles Große und Heldenmüthige deckt das Schweigen der Ge[S. 56]schichte. Ein längerer und hartnäckigerer Kampf für die Freiheit ist wohl nicht gekämpft worden, als der der Slaven gegen die Deutschen.
Deutsche Ritter wurden die Herren dieser Gegend. Viele derselben haben sich hohe Verdienste um die Standesherrschaft erworben. Sie sorgten für das Volk, für sein geistiges und materielles Wohl. Unter den spätern Standesherrn sind besonders zu nennen die edlen, frommen Burggrafen zu Dohna, vor allen aber die Reichsgrafen von Callenberg, welche von 1644 bis 1795 die Wohlthäter und Beglücker der Gegend waren.
Diejenigen Länder bedürfen am meisten, wie des Trostes der Religion, so der Fürsorge ihrer Herren, in welchen nach unabänderlichem Gesetze der Weltentwicklung eine Nationalität der andern weicht; denn in der Nationalität wurzelt die Gesittung und manche herrliche Tugend. Auch hier wird das deutsche Element immer überwiegender. Der Standesherrschaft Muskau ist das Glück geworden, unter den Königen Preußens zu stehen und einem milden, königlichen Prinzen zu gehören. —
Noch einmal durchziehen die Blicke das Land von den Bergen im Süden bis weithin über die Haiden gen Norden. Die Sonne taucht hinab hinter den Wald, und die feierliche Nacht steiget herauf. In andächtigem Schweigen ruhet das grüne Revier. Kaum vernehmbar tragen die Westwinde die Klänge der Betglocke vom fernen Kirchthurme über die Gipfel der Bäume bis zu der Höhe, auf welcher wir stehen: — Gott segne und schütze dich, heimathliche Lausitz!
Oft ist im Dunkel des Abends oder der Nacht nach der Gegend hin, in welcher Muskau liegt, ein rother Schein sichtbar. — Durchbricht dort die Flamme das Dach und sprengt sie die Banden, in welchen sie der Mensch hält? Ist sie eben[S. 57] im Begriff, sich ihrer zerstörenden Allgewalt zu freuen und in den Stürmen zu jauchzen und zu frohlocken? Wird das freundliche Städtchen wiederum von einem Brande heimgesucht, in welchem es oft in Asche und Trümmer gesunken? — Rascher nähert sich der Wandrer der Stadt; aber keine Sturmglocke ertönt, und überall ist der Frieden der Nacht. Ein langer, schwarzer Rauchstreifen zieht über das Neißthal oder hat sich in der Form einer Säule höher, als die Berge erhoben, an welche sich das Städtchen lehnt. Lustig tanzet die Flamme über dem kurzen Schornsteine und emsig wird sie genährt und vergrößert. Helles, gelbes Licht ergießt sich aus des Ofens Mündung über die Gegenstände der Nähe. In matterem Grün überranket der Weinstock die erhellte Wand des Hauses, und in eigenthümlicher Beleuchtung stellen sich die nächsten Gruppen des Parks dar. Blasser glänzet der Mond am Himmel ob des fröhlichen Feuers auf Erden. Je weiter von demselben, desto mächtiger wird die unterbrochene Herrschaft der Nacht und des Dunkels. Doch an dem Heerde der Flamme freuen sich fleißige Arbeiter; denn ihrer Hände Werk soll durch des Feuers bildende Kraft die letzte Vollendung erhalten. — Eins der stärksten Gewerke Muskaus ist das der Töpfer. Selten vergeht ein Tag, an welchem nicht einer der vielen Oefen geheizet würde. —
Wie die Kunst den Thon zu formen eine der ältesten ist, wie sie geübt wurde von den Hebräern, Phöniziern, Etruskern, so hatten es auch die alten Slaven in derselben gar weit gebracht. Davon zeugen die Urnen, welche in alten Begräbnißplätzen und anderweitig gefunden werden. Die Töpferei ist ein Gewerk, welches von den ältesten Zeiten an hier gewesen ist und welches früher vielleicht noch mehr blühte, als jetzt. Der Muskauer Kantor Crusius berichtet in seiner Kirchenzierde, daß zu seiner Zeit, um 1650, viel Muskauer Töpfergefäß in andere Länder, auch wohl über die See weggeführt, dagegen manch’ Thaler anhero gebracht worden sei. Anm. z. V. 199. Der berühmte, viel besuchte Muskauer Topfmarkt war auf dem Kirchplatze, und es mußte Jeder, der da seine Töpfe feil bot, einige derselben als Standgeld an die Herrschaft abgeben — eine Abgabe, auf welche die Gräfin Ursula Catharina in der[S. 58] Sorge für das Hauswesen in höchst eigener Person hielt. Ein großer Nachtheil erwuchs einst den hiesigen Töpfern aus dem Verbote, die schlesischen und brandenburgischen Märkte zu besuchen. S. Lang. S. 24.
Der Boden um Muskau, auf der Grenze der Ober- und Niederlausitz, enthält vortreffliche Thonlager; das Holz zum Brennen des Geschirres hatte aber früher in der waldreichen Gegend kaum einen Geldwerth. Der geschmeidige Thon verhärtet im Ofen zum klingenden Steine. Dieses Steingefäß zeichnet sich vor andern Fabrikaten nicht nur durch seine Festigkeit und Dauerhaftigkeit, sondern auch ganz besonders dadurch aus, daß die Glasur auf’s Innigste mit der Masse verschmilzt. Crusius nennt es „fein und frisch“ und giebt damit wohl die uralte Eigenschaft desselben an, in welcher es zum Aufbewahren von Flüssigkeiten, die es frisch erhält, besonders geeignet ist. Aus dem hiesigen Thone werden mancherlei Gefäße geformt als Flaschen, Aesche, große zweihenklige Töpfe, besonders aber die mannigfach verzierten Krüge. Um 1800 wurden jährlich gegen 6000 Ellen thönerner Röhren nach Böhmen und der Oberlausitz versendet. Der sel. Superintendent Vogel gab eine Art derselben an, in welchen das Wasser steigen und dem Drucke widerstehen kann. Auch Tabakspfeifen, welche sehr gesucht waren, formte man sonst aus hiesigem Thone. — Merkel: Erdb. v. Kursachsen VI, 74.
Das Töpfergewerk zählt zur Zeit 14 Meister. Noch immer ist das Muskauer Geschirr berühmt und gesucht. Mancher hoch beladene Frachtwagen geht nach Böhmen, bis in die Kaiserstadt Wien, wo der Name „Muskauer Steingefäß“ einen guten Klang hat; manche Sendung wird zu dem Schwielung-See oder zur Oder, und von da nach Hamburg, Stettin, Danzig, ja selbst nach Amerika geführt. Während die Tuchmacherei in hiesiger Stadt ganz aufgehört hat, — nach der handschriftlichen Chronik von Abraham Hoßmann soll es einst an 200 Tuchmacher in Muskau gegeben haben, und noch um 1800 werden solche erwähnt — blüht noch immer das alte, ehrenwerthe Töpfergewerk.
Es ist gar interessant, dem Arbeiten in einer Töpferwerkstatt zuzuschauen. Da dreht sich die zirkelnde Scheibe, da formt[S. 59] sich unter geübten Händen in kürzester Frist die geschmeidige Masse, da erhält sie alsbald die verschiedensten Gestalten in Aeschen, Krügen u. s. w., da sieht man so recht, wenn auch im Kleinen, die Biegsamkeit und Formbarkeit der Materie, die Beherrschung derselben durch den Menschen. Ist auch alles Irdische und Irdene zerbrechlich, ist die Scherbe oft ein Bild des hinfälligen Menschenlebens: — so sei doch der Name „Muskauer Steingefäß“ bedeutungsvoll für die Zukunft des alten, löblichen Gewerkes! Mögen jene zahlreichen Flammen, welche den Thon verglasen, nimmer verlöschen im Neißthale!
Im Jahre 1822 lenkte der Kreisphysikus Dr. Kleemann die Aufmerksamkeit des Fürsten Pückler auf die hiesigen, an Heilkräften reichen Eisenwässer. Die Wirkungen derselben übertrafen alle Erwartungen, und alsbald wurde die Gründung des Bades ein Lieblingswerk des Fürsten, besonders aber seiner Gemahlin, der Tochter des Staatskanzlers von Hardenberg. Den 29. Juni 1823 wurde das Bad feierlich eingeweiht. Es erhielt den Namen Herrmannsbad. Viele hohe Herrschaften waren zu der Festlichkeit herbei gekommen. Die Einweihungs-Ceremonien verrichtete der Fürst von Carolath. Der Pavillon der Trinkquelle, über welcher jetzt Kreuz und Halbmond vereint sind, trug die Inschrift:
Die ersten Bade-Directoren, welche sich um die Hebung der Anstalt große Verdienste erworben haben, waren der Dr. Kleemann, der Justiz-Commissarius Sieber, der Hofgerichts-Assessor Seydel und der Forstsecretäre Mühle als Rechnungsführer. Die Restauration mit dem Kursaale war vordem ein Alaun[S. 60]magazin und das anstoßende Gebäude eine Beamtenwohnung. Bald wurde die bogenförmige Moosgallerie aufgeführt. In dem Gebäude rechts davon sind Bäder und Wohnungen für Badegäste; dort sind auch die Zimmer, welche die Abyssinierin Machbuba einst inne hatte. Hinter diesem Gebäude ist ein großes Logirhaus, 1824 errichtet. Vieles ist geändert und verbessert worden. Das neue, nette Logirhaus auf einer Böschung am Fuße des Berges hat der jetzige, königliche Standesherr aufführen lassen. —
Der Park des Bades ist eine der schönsten Partien in dem großen, harmonischen Ganzen. Die Arbeiten an demselben wurden alsbald begonnen; es mußten dazu Besitzungen angekauft oder eingetauscht und eine Landstraße verlegt werden. Nur durch Faschiniren konnten die steilen Bergabhänge bepflanzt werden, da das junge Gehölz immer wieder von dem Sande, welchen der Regen herabschwemmte, vernichtet wurde. Doch alle diese Mühe deckt, wie allenthalben im Parke, die Vergangenheit und die Schönheit des Ganzen, die wie von selbst entstanden zu sein scheint.
Wir treten, um jene Schönheit zu überschauen, an die Brüstung der Gallerie. Zu unsrer Linken thürmt sich die Bergwand steiler denn anderswo auf, und mächtige Bäume derselben hängen hinaus in das Thal; zur Rechten dringet der Blick durch Baumgruppen in das Freie. Er folget dem Laufe der Neiße und eilet über die Brücke derselben zu einem jener herrlichen Hügel des Parkes, um auf dessen Bäumen mit ihren schönen Umrissen zu ruhen. Von da kehrt er zu der freundlichen, lieblichen Nähe zurück. Zu unsern Füßen sind prächtige Blumenstücke. In frischester Farbenpracht unterbrechen sie das Grün der Wiese; denn es sind Sommerblumen, die während der Badesaison ihren Schmuck entfalten. Hier und da tritt niedriges Gesträuch zu lieblichen Baumgruppen zusammen. Mächtig steiget der Wasserstrahl der Fontaine empor; aber in Perlen zertheilt, fällt er zur Erde herab. Allenthalben sind trauliche, stille Plätzchen, wo der Kranke ruhen und der Gesunde sich freuen kann der Stille des Thales, welches täglich die Töne der Musik durchziehen. Alles hat hier den Charakter des Gemüthlichen, Traulichen, des Befriedigten in enger Umgrenzung,[S. 61] und gar heimathlich wird es uns alsbald zu Muthe in dem Thale, in welchem das Bad Muskau ist. —
Wir erklimmen auf einem jener Pfade, der sich den Berg hinauf windet, die Höhe desselben, nachdem wir zuvor noch einen Blick auf ein trauliches Plätzchen gethan haben, welches sich buchtartig in die Berge hineinzieht. Dort, wo der Hügel nach Nordwesten wie ein Vorgebirge steil abfällt, gleitet das Auge an der laubholz-bewachsenen Berglehne hin. Alte, kräftige Buchen neigen sich über die Wohnungen im Thale, sie mit ihren dichten Zweigen zu überschatten. Unter ihnen tauchet die deutsche Kirche mit dem goldenen Kreuze des Thurmes und das Schloß malerisch empor. Links sind tiefe, romantische Schluchten, rechts, jenseit der Neiße, flachen sich die dortigen Hügel zur Neißaue ab. Noch reicher und umfassender wird der Blick, gehen wir zu einem jener steilen Abhänge in entgegengesetzter Richtung, wo sich der Höhenzug nach Süden wendet. Hier ist die Natur wild. Wie Felsen thürmen sich zerklüftete und abgerissene Bergabhänge gar steil auf. An ihnen liegt das Alaunwerk, welches seit den ältesten Zeiten hier gewesen ist, und um dasselbe sind, gleich Vorbergen des nahen Höhenzuges, die schwarzen Massen ausgelaugter Alaunerde und Asche aufgeschüttet. Aus dem dunklen Grün der Haiden schlängelt sich wie ein Silberstreifen die Neiße hervor. Zu beiden Seiten derselben sind Wiesen und Felder; aber bald werden sie von den Haiden begrenzt, deren Flächen sich weithin ausdehnen. Doch jenseit derselben, am Saume des Horizontes im Süden, steigen die Berge empor. Die Bilder, welche hier nah und fern vor dem Auge vorüberziehen, stehen durch ihren meist erhabenen Charakter im Contraste zu dem Gemüthlichen und Traulichen des Thales, so daß dieses durch jene bedeutend gewinnt. —
Die Gegend, in welcher der Mensch weilet, wirket auf ihn ein. Die Töne ihrer Bilder klingen an sein Herz an und wecken Stimmungen in demselben. Die Luft, die Vegetation, die ganze Scala der Beziehungen, in welche der Mensch zu der Natur einer Gegend tritt, sucht ihn geistig und körperlich zu bestimmmen. Jene Beziehungen gleichen dem Wassergeäder in der Tiefe der Erde, welches aus den Erdschichten die Heilkräfte saugt und zum Gesundbrunnen zusammenfließt, welcher von[S. 62] Vielen gesucht wird. So hat in der anmuthigen Lage des Bades, in der Natur um Muskau, welche die Kunst idealisirt hat, schon mancher Kranke Stärkung und Kräftigung, der Gesunde aber reichen Genuß und Erhebung gefunden.
Doch in den geheimnißvollen Tiefen der Erde bereitet die Natur die Fluth der heilsamen Quelle, welche sie den Kranken zur Genesung beut. Die Quellen des Herrmannsbades gehören in die Klasse der salinischen Stahlwässer. Außer den Mineralbädern giebt es hier vortreffliche Moorbäder, und beide werden mit einander verbunden. Daran reiht sich das russische Dampfbad und das Kiefernadelnbad, welches grade hier in vorzüglicher Güte hergestellt werden kann. Die Heilquellen Muskaus sind oft analysirt worden, bereits 1824 vom Dr. Hermstädt, am gründlichsten von Duflos.
Während die liebliche Natur um das freundliche Städtchen durch den Genius des Fürsten zur reinsten Vollendung idealisirt ist, ist unter den Anlagen in den Bergen und seitwärts derselben eine eigene, unterirdische Welt. Schon Jahrhunderte fährt da der Bergmann bei seinem Grubenlichte in den Schacht, um die Alaunerze zu Tage zu fördern, oder die Braunkohle zu brechen, und weithin ziehen sich die unterirdischen Gänge. Um ihn herum in der düstern Stille trieft es wie Thau von dem Gesteine und Erdreiche. Die sich senkenden Tropfen sättigen sich an den mineralreichen Stoffen und vereinigen sich zu der Quelle eigenthümlicher Mischung. Die aber arbeitet sich empor aus der Tiefe der Erde, ein edles, kostbares, flüssiges Erz der Berge, eine Gabe der Gegend. Der Fürst hat bei der Ausführung seines großartigen Werkes alle Voraussetzungen benutzt, welche ihm die Geschichte und Natur der Gegend bot, und in diesem Hineinziehen, Benutzen und Vervollkommnen des Gegebenen besteht das Ausgezeichnete seiner Schöpfungen. Das einst Neu-Entdeckte war hier uralt, der Quelle heilende Kraft wurde in den Dienst der Menschheit genommen, und das Herrmannsbad im herrlichen Parke errichtet. Möge ihm der Segen bleiben, der einst bei seiner Einweihung ausgesprochen wurde, eine Stätte zu sein, wo Leidenden wiederum wird das höchste Gut — die Gesundheit!
Anmerk. Ueber das Bad und seine Heilkräfte s.: Das Herrmannsbad bei Muskau, dargestellt in Hinsicht auf seine Umgebungen, sowie seine bewiesenen Heilkräfte. Sorau 1825 gr. 8. mit 5 Abbildungen in fol. Steindruck. — Borott, Tagebuch im Musk. Herrmannsbade geführt, mit einer vollständigen Beschreibung des russ. Dampf- u. Schwitzbades, nebst dessen Wohlthaten und Wirkungen &c. Zittau 1824. — Dr. Prochnow: Muskau, seine Kur-Anstalten und Umgebungen. Laus. Magazin, 1824, 337–393; 1825, 101–108; 157–159. Musk. Wochenbl. 1822, 217; 1824, 182. — Schles. Provinzialblätter 1825, 367–375. 1824, 240–245. Mineralwasser: Nachl. 1766, 223. Dr. Jäger S. 355. — Ueber das Alaunwerk: Vogels Nachrichten darüber und besonders über eine ausgebrannte Halde, Laus. Magaz. 1802, 1, 84–96.
Mancher Punkt des Parks, ausgezeichnet durch seine herrliche Aussicht, hat schon früher, ehe er in den Plan des Ganzen hineingezogen wurde, durch Feste in der standesherrlichen Familie eine Bedeutung erhalten. Die Erinnerung daran erlischt immer mehr.
Dem Standesherrn Johann Alexander von Callenberg, dessen erste Ehe kinderlos blieb, wurden in zweiter Ehe mit Rahel Louise Henriette, Reichsgräfin von Werthern, vier Kinder geboren. Georg Alexander Heinrich Herrmann, der Erbe der Herrschaft, vermählte sich mit einer Tochter der Provençe, der Gräfin de la Tour du Pin, der allzufrüh heimgegangenen Mutter der Clementine Kunigunde Charlotte Olympia Louise und des Johann Alexander August Herrmann, bei dessen Geburt sie starb. Sein jüngerer Bruder Curt Heinrich, geboren den 8. April 1749, wurde Pfalz-Zweibrückischer Kammerherr, Obristlieutenant bei der Reichsarmee, oberrheinischer Kreis-General-Adjutant und ist 1817 den 27. Januar in der Gruft seiner Väter beigesetzt. Von den beiden Schwestern vermählte sich die jüngere, Ursula Margaretha Constantia Louise früher als die ältere, den 10. Januar 1772 mit dem Freiherrn Wilhelm Christoph Diede zum Fürstenstein, dem Letzten dieses alten Geschlechts. Er war Herr zu Fürstenstein, Wellingerode,[S. 64] Radewitzhausen, Immichenhain, Ziegenberg u. s. w., Ritter des Ordens vom Danebrog, Commandeur des K. Ordens St. Josèph, Königl. Dänischer Kammerherr und Gesandter am K. Großbritann. Hofe, der Kaiserl. und des H. R. Reiches Burg zu Friedberg Regiments-Burgmann und der Löbl. freien Reichs-Ritterschaft Mittel-Rheinischen Cantons wohl erbetener Ritter-Rath. Die ältere Schwester Henriette Louise, geboren den 11. Februar 1745, wurde den 24. Juni 1774 die Gemahlin des Reichshofrathes Karl Christian, Grafen und Edlen Herrn zur Lippe. Als sie am 10. September ihre alte Heimath verließ, um von Muskau gen Wien zu ziehen, begleiteten sie Tausende von Segenswünschen und manche Thräne des Dankes floß diesem menschenfreundlichen, edlen, frommen, erhabenen Charakter. Den 19. Februar 1799 ist sie zu Regensburg gestorben. Ihr Gatte suchte Trost in dem unersetzlichen Verluste, indem er ihre Lebensbeschreibung aufzeichnete, welche herrliche Blicke in ein echt christliches, edles, in Prüfungen bewährtes Herz thun läßt. —
Dieser ältesten Tochter des Standesherrn war es vergönnt, die treue, sorgsame Pflegerin ihres Vaters im hohen Alter zu sein, während die andern Geschwister ihr Lebensweg in die Ferne geführt hatte. Für die Standesherrschaft war damals eine prüfungsvolle Zeit. Feuersbrünste hatten viele Wohnungen zerstört, und am 2. April 1766 war auch die Stadt mit ihren Kirchen verwüstet und eingeäschert worden. Nach den Lasten des Krieges kamen die schrecklichen Hungersjahre 1771 und 72. Es gab allenthalben zu helfen, und die Herrschaft hat manches Opfer gebracht. Auch die gräfliche Familie hatten harte Schläge getroffen. Die Gemahlin des Grafen Herrmann war nach kurzem Glücke gestorben. Die Comtesse Louise wurde die treue Fürsorgerin für die zwei mutterlosen Waisen; aber der unerbittliche Tod entriß ihren Armen das eine der geliebten Kinder, den kleinen Grafen Herrmann. — Fern von dem Vater weilten seine übrigen Kinder; aber es kam ein Tag, der sie alle, auch die zweite Tochter und deren Gemahl, die aus dem fernen London herbeigeeilt waren, zum fröhlichen Wiedersehen im Vaterhause vereinen sollte, den 15. November 1773. Gar sinnig waren die Feierlichkeiten, welche die Schwester zur Verherrlichung jenes Tages angeordnet hatte.
Auf der Hügelkette jenseit der Neiße, der alten Bergkirche gegenüber, ist einer der höchsten Punkte des Parks. Dort war ein Pavillon in Form einer Octogone aufgeführt worden. Das niedliche, tempelartige Gebäude schien ganz aus Tannenzapfen zu bestehen. Aus Tannenzapfen waren die Wandleuchter, die Kronleuchter, der Kamin, das altarähnliche Postament, aber am kunstvollsten waren die Verzierungen der Wände im Innern; denn aus größern und kleinern Tannenzapfen, welche von Moos und grünen Fichtenreisern durchwebt waren, hatte man wie in Mosaikarbeit mannigfache, niedliche Gruppen an einander gereiht. — Von hier aus, von den Fenstern des Pavillons, wollte die Gräfin vereint mit ihren Geschwistern auf die Fluren schauen, auf welchen sie der Kindheit schöne Tage verlebt hatten, auf das Neißthal, Schloß und Stadt. Wohl trübte dichtes Schneegewölk den anfänglich so heitern Himmel des Novembertages; aber jenen glücklichen Menschen strahlte hell die Sonne des freudigen Wiedersehns. Als sich die Herrschaften, begleitet von der Frau Gräfin von Lüttichau und deren Gemahle, dem Zapfenhäuschen näherten, ertönte in dem Thale ein Choral, und Hunderte von Fackeln vertrieben die allzufrüh hereinbrechende Nacht. Die damals fünfjährige Clementine empfing die Eintretenden mit einem Gedichte, welches sie von dem Postamente herab mit einer Freimüthigkeit und geniengleichen Anmuth vortrug, die das Erbe ihrer geistreichen, schönen Mutter war.
Da stand nun der greise Standesherr in silberweißem Haare inmitten seiner geliebten Kinder. Außerhalb des Pavillons fielen, wie Myriaden von Sternchen, die Schneeflocken zur Erde, und der Sturm löschte die Fackeln aus. Dunkel deckte die heimathliche Flur und unter der Herrschaft des Winters war sie erstarret; aber wie Blumen des Lenzes blühten in dem Herzen der Versammelten herrliche Erinnerungen auf. Es war eine jener Stunden in einem Familienleben gekommen, wo der Freude, des Wiedersehens Macht den höchsten Lebensgenuß bringt, wo die Lippe schweigt, aber das Auge thränt und in dem Herzen das Wort ist: „Herr, wir sind zu geringe aller der Treue und Barmherzigkeit, die du auch an uns gethan hast!“ — Jener Punkt der Berge ist seitdem der Familie immerdar eine heilige Stätte gewesen. Oft hat ihn in der Erinnerung an seine[S. 66] Lieben der greise Standesherr erstiegen, dem nur noch wenige Jahre seines Lebens zugemessen waren, oft sein Sohn, oft dessen Tochter, die Erbin Muskaus. Der Zahn der Zeit hat bald an einem Gebäude genagt, welches nur für einen seligen Augenblick errichtet war. Mannigfache Gestalten bis zu seiner jetzigen hat seitdem der Pavillon angenommen. Als sich dort der selige Archidiakonus Langner des aus seiner Asche wieder emporsteigenden Muskaus, besonders seiner wendischen Kirche freute, stand auf jenem Berge ein massives Häuschen s. das Gedicht in d. actenmäß. Berichte &c. S. 49. —
Gleich als sorgte die Natur für die Stätten, welche Menschen einst heilig waren, verbürgt diesem Punkte der Berge die herrliche Fernsicht, die er besonders in den Frühstunden gewährt, eine Auszeichnung vor allen andern. Im Süden sind Felder und Wiesen mit herrlichen, alten Eichen. Sie werden vom Walde umschlossen, hinter welchem am fernen Horizonte die blauen Häupter der Berge, die Landeskrone, Tafelfichte u. a. emportauchen. Im Nordwesten lagert sich unermeßliches Waldgrün über das Flachland, aus welchem sich hie und da einige Hügel mit Fichten bewachsen erheben. Hinter uns wird der Blick durch den Wald wie durch eine Mauer gehalten. Jenseit der Neiße aber sind die Bergabhänge, an welche sich die Stadt lehnt, die Schluchten, das Bad, die Bergkirche, das Plateau des Dorfes Berg. Doch am lohnendsten ist der Blick in das Neißthal. Da ziehet die Neiße durch des Parkes Haine; da sind Baumgruppen aufgethürmt, eine lieblicher, als die andere. Zwischen ihnen tauchen die Gebäude des freundlichen Städtchens hervor, die deutsche und wendische Kirche, das Rathhaus u. a. In den Vordergrund des reichen Panoramas tritt das Schloß mit seinen Thürmen. Die dort weilten, die längst entschlafen, feierten einst auf dieser anmuthigen Höhe des Parks eine Stunde frohen Wiedersehens, und einen eigenen Reiz hat des Hügels Gipfel wegen seiner herrlichen Fernsicht, eine Bedeutung in der Geschichte der Familie der Reichsgrafen von Callenberg, denen Jahrhunderte die Standesherrschaft gehörte.
Anmerk. Der Freiherr v. Diede st. 1807 als der Letzte seines Geschlechtes. Vergl. über diese Familie Justi’s hessische Denkwürdigkeiten II. 240–254. Die Höhe des Zapfenhäuschens erhebt sich 45[S. 67]2′ über den Spiegel der Nordsee. In dem Werke des Fürsten „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ heißt es: „Auf diesem Punkte steht jetzt ein halbverfallener Pavillon, und befand sich in ganz alten Zeiten, der Sage nach, ein Schloß oder Wartthurm, von dem auch noch einige Rudera zertrümmerter Mauern und Keller übrig sind, wie man deren auch in dem nahen Walde von Keula findet.“ Das Zapfenhäuschen, diese der Familie so liebe Stätte, ist später zu dem Geburtstage der Standesherrin, am 9. November 1781 von deren Gemahl, Herrmann v. Callenberg, in andrer Form und reicherem Schmucke erneut worden.
Muskau mit seinen Umgebungen hat sich im Laufe der Zeit sehr verändert. Die vorzüglichsten dieser Veränderungen und Umgestaltungen sollen zeigen, wie das Sonst dem Jetzt gewichen.
Wahrscheinlich ist der Ort gleich anfänglich im Neißthale und zwar von Slaven erbaut worden. Darauf führet der Name, welcher derselben Wurzel entsprossen ist, wie der der alten heiligen Hauptstadt Rußlands. Die Slaven berücksichtigten bei ihren Ortsbenennungen hauptsächlich das Terrain. So wurde die an einem sumpfigen, moorigen Landstriche, an einem Muzk, gegründete Ansiedlung Muzkow genannt. Weil aber die Wenden Muskau Mužakow nennen, so hat sich die Meinung verbreitet, daß der Name von dem ungewöhnlichen Augmentativ Mužak d. h. ein großer Mann, herkomme, welche zu der Sage Veranlassung gegeben hat, daß einst um Muskau ein Heldenvolk gewohnt und gegen die Feinde des deutschen Reichs tapfer gestritten habe, s. Langner S. 11. Eine historische Fiction ist das Referat A. Hoßmanns, daß sich um 300 n. Chr. ein römischer Feldoberst Muskau mit seinen Mannen hier niedergelassen und die Stadt erbaut habe.
Die Deutschen errichteten hier, wie anderwärts, eine Burgwarte, welche zunächst dazu bestimmt war, ihre Herrschaft über den Gau zu befestigen und die wohl auch später zur Schutzwehr in den Fehden, vielleicht auch als Feste gegen die Feinde[S. 68] des Reiches gedient hat. In der Nähe des also geschützten Ortes mochten sich Viele ansiedeln, und so mag die Neustadt und die Schmelze entstanden sein. Wo aber das Schloß ursprünglich gestanden hat, läßt sich nicht bestimmen. — Wenn Langner S. 12 behauptet, Muskau sei einst viel größer gewesen und habe sich 1½ Stunde weit über den Berg bis Keula hingezogen, so ist dies wohl ebenso eine Dichtung, wie die Angabe Hoßmanns, daß der Ort durch Heinrich I. Stadtrechte und die herrlichsten Privilegien erhalten habe. Muskau ist erst den 29. September 1452 von Wenceslaus von Bieberstein mit Stadtgerechtigkeit begnadet worden. Verz. oberl. Urk. I, 2. S. 69. Gleichwohl mochte sich schon früher unter der Obhut tüchtiger Herren der Gegend, unter den Herren von Ileburg, Kittlitz, Penzig, ein kräftiges Gemeindewesen entwickelt haben. Deshalb konnte Hoßmann dichten, daß ein Probst von Muskau Folgendes an einen Markgrafen von Oesterreich geschrieben habe: „In diesem Städtlein wird die Religion mit sonderbarer Andacht auf die Nachkommen gepflanzet und täglich mit Ernst geübt. Die Bürger allhier trachten nicht nach Ehren, sondern nach dem gemeinen Nutzen, und wird von der Obrigkeit den Armen, wie den Reichen Schutz gehalten, und ist in unserm Städtlein kein heimlicher Haß bei den Menschen zu finden; man hütet sich auch allhier vor kindischen Rathsherrn, sondern trachtet nach ehrbaren Personen &c.“ — Nach dem astrologischen Aberglauben des Mittelalters standen die Orte unter dem Einflusse gewisser Sternbilder. Ueber Muskau sollen der Mercur und die Jungfrau ihre Macht ausgeübt haben, was Hoßmann auch gar nicht zweifelhaft findet, denn die Bewohner der Stadt haben sich von je her durch ihre Geschicklichkeit ausgezeichnet; auch ist ihnen eine jungfräuliche Schamhaftigkeit eigen gewesen; dazu haben sie feine ingenia besessen, wie sich ja auch Viele in Künsten und Wissenschaften hervorgethan haben. — Nach dem Chronisten ist also Muskau und seine Umgegend nie ein Böotien der Lausitz gewesen. —
Wie die Herren von Bieberstein, sorgten später die Herren von Schönaich für die Stadt. — Fabian von Schönaich, derselbe, welcher in der Schlacht bei Mühlberg am 24. April 1547 den Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg gefangen nahm,[S. 69] ließ 1564 die 1502 aus Zimmerholz in der Leschzina, nicht weit von der Neißbrücke, erbaute Kapelle abbrechen und auf dem neuen Kirchhofe vorm Thore am Wege nach Forst wieder aufsetzen. Dieser Kirchhof ist zuvor des alten Paul Tharin Acker gewesen und 1550 eingeweiht worden. Die hölzernen Wände des Kirchleins wichen 1595 soliden Mauern, seinen jetzigen, und 1662 bekam es ein neues Sparrwerk. In der Begräbnißkirche wurden 1812 die typhuskranken Franzosen untergebracht; 1855 ließ sie der jetzige Standesherr zu einer Zierde der Stadt und des Parkes renoviren. Auf Fabians von Schönaich Anordnung wurde auch 1555 die Bergkirche im Innern renovirt, deren Dach den 23. Nov. 1660 durch einen fürchterlichen Orkan abgerissen wurde. 1555 fing man auch an die Neugasse aufzuführen. In demselben Jahre hat auch Fabian v. Schönaich „die Mühle auf der Neiße“ bauen lassen; 1603 ist diese Mühle aufs Neue gebaut worden, 1666 abermals vom Grund aus durch den Landvoigt, 1785 ist sie wiederum erneuert worden, und 1787, wie öfters, das Wehr bei derselben. 1556 hat Fabian v. Schönaich die Papiermühle auf der Stelle aufführen lassen, wo die Niedermühle gestanden hatte. Die andere Papiermühle bei Podrosche an der Neiße war von dem Burggrafen K. Christoph zu Dohna 1612 erbaut worden. — Durch die Burggrafen zu Dohna wurde der Stadt die schöne, neue deutsche Kirche, welche den 19. Mai 1622 eingeweiht ward. — Von dem, was der Landvoigt von Callenberg für die Stadt gethan hat, sagt Crusius Anm. z. V. 169 „Wer Muskau vor etwa 20 Jahren gesehen, wie es durch den Krieg und Brand zugerichtet gewesen, und sieht es jetzo, wie es, Gott Lob! wieder — ob zwar nicht prächtig — angebaut und bewohnet ist, der wird traun bekennen müssen, daß S. Hoch-Freiherrl. Gnaden diesen Ort, ja die ganze Herrschaft, trefflich gebessert haben“. In dem dreißigjährigen Kriege hatte Muskau viel gelitten. Im September 1631 lag der kaiserliche General-Feldmarschall von Teuffenbach mit seinem Corps in der Herrschaft, und die Dörfer Weißkeissel, Neudorf, Werdig, Gablenz und Mühlrose gingen in Flammen auf; 1632 starben in der Stadt allein 367 Personen; 1633 den 8., 11. u. 12. Octbr. plünderten die Kroaten und mißhandelten die Bewohner der[S. 70] Stadt; den 26., 27. u. 28. Octbr. stand Wallenstein mit seiner Armee in der Herrschaft; 1634 den 24. Sept. wurde die Stadt in Brand gesteckt. Am ärgsten wurde die Herrschaft 1637 von dem kaiserlichen und kursächsischen Kriegsvolke vom 2.-18. Mai geplündert. Damals war auch der fürchterliche Waldbrand. 1639 kam eine große Theurung, und Muskau ist in jenen Zeiten schwer heimgesucht worden. — Die Zahl der Bürger hatte im Kriege bedeutend abgenommen. Callenberg nahm viele Fremde, besonders aber die, welche unter ihm gefochten hatten, in die Stadt auf. So berief er auch 1646 den M. J. Stöckerus, welcher 1630 Feldprediger bei der sächsischen Armee war und dann resignirte, von Eisleben als Pastor und Inspector nach Muskau, einen um die Kirchen der Herrschaft hochverdienten Mann. Von der Weisheit und dem Ernste der Verordnungen des Landvoigts zeigt u. A. seine Polizei-Ordnung d. a. 1647. — Damals hob sich besonders das Alaunwerk, die Töpferei und Brauerei. Das Muskauer Bier war von vorzüglicher Güte und sehr gesucht. Crusius Anm. z. V. 199 sagt: „Das hiesige Bier ist an Farbe weißlicht, an Geschmack lieblich, giebt gute subtile Spiritus und mehret die naturlich Wärme und ist gesund und nähret wohl.“ In V. 70 heißt es:
Das Schloß wurde den 7. April 1643, am Osterdienstage, von den Schweden in Brand gesteckt, so daß es zum Steinhaufen ward. Durch den Landvoigt war es so prächtig restaurirt worden, daß Crusius V. 105 sagt:
Die Decken der Zimmer waren von welscher Künstler Hand durch historische Plafonds geziert; auch zeigte das Schloß: „Wie hoch die Bildekunst im schweren Gypse steigt“. Schöne Stuckatur-Arbeit schmückt auch die deutsche Kirche, s. Crusius Anm. z. V. 555. — In einem der Thürme des Schlosses war die Wasserkunst. Das Wasser wurde vom Berge durch das Thal[S. 71] bis in eine Grotte in dem obersten Gemache des Thurmes durch verborgene Röhren geleitet.
Ehe der Landvoigt das zerstörte Schloß wieder aufbaute, ließ er 1646 die deutsche Kirche in- und auswendig renoviren, das Ziegeldach ergänzen und den Thurm zieren. Folgendes Distichon an der Kirche oben unterm Dach, nach der Neustadt zu, pries diese Verbesserung des Gotteshauses:
Das Obertheil des Thurmes war anfänglich von Holz, mit Ziegeln ausgesetzt; 1646 wurde es gemauert und der mit Dachziegeln belegte Schurz wich „einem luftigen Umgange.“ Nach dem Brande 1766 erhielt der Thurm seine jetzige Gestalt. Das goldene Kreuz desselben hat die selige Frau Fürstin Pückler errichten lassen, als ihr Gemahl glücklich von seinen weiten Reisen im Oriente zurückgekehrt war. Obwohl schon auf dem Rathhausthurme eine Schlaguhr war, hat doch der Landvoigt 1646 auch für den Kirchthurm eine solche weit größere verfertigen lassen mit zwei Seigerglocken unter der Haube und drei großen, schönen Spurtafeln — gemalt von Gottfried Ulrich zu Görlitz. —
Muskau ist oft von zwei Elementen verheert worden, vom Feuer und Wasser. Die Neiße in ihrem starken Falle schwillt bisweilen in dem engen Thale zu einer beträchtlichen Höhe an.[S. 72] Den 15. Juni 1804 um Mitternacht ergossen sich ihre Fluthen urplötzlich über das ganze Neißthal. Felder und Wiesen wurden übersandet, es ertrank viel Vieh, und selbst die Brücke vor dem Amthause ward zertrümmert. Hie und da hatten sich Menschen, von den Fluthen überrascht, auf Bäume gerettet, und der Fluß wühlte Löcher zwölf Ellen tief. — 1703 den 2. u. 3. Aug. ward das Wasser so groß, daß Einige fürchteten, es käme eine zweite Sündfluth. Andere verheerende Ueberschwemmungen waren: den 12. Juli u. 30. März 1613, den 14. Jan. 1611, den 18. Aug. 1595, den 5. Juli 1593, besonders 1583, Montag nach Palmarum. Starke Dämme wehren jetzt dem Elemente, wenn es sich empört. Die Schleuse unweit der Brücke ist 1856 aus Stein aufgeführt worden.
Mehr noch als durch die Fluthen hat Muskau durch die Flammen gelitten. In der waldreichen Gegend mochte man das Holz bei Bauten nicht gespart haben. 1532 am Ostermontage brannte das ganze Städtlein nieder, 1598 am Sonntage Exaudi 16 Scheunen beim Kirchhofe. Das Feuer am 30. Mai 1603 zerstörte 50 Häuser und 20 Scheunen. 1634 den 24. Sept. wurde von den Soldaten in einem Gehöfte am Markte Feuer angelegt, welches die Stadt bis nahe an die neue Kirche sammt Pfarr- und Schulgebäuden und der wendischen Kirche vernichtete. Am 1. Advent 1686 rief Feuerlärm die Gemeinde aus dem Gotteshause, und es sanken wieder 27 Häuser, die wendische Kirche und die Schulen in Asche. — Der fürchterlichste Brand war am 2. April 1766. Die Flammen brachen in einem Hause vor dem Schmelzthore aus. Der Wind trieb sie der innern Stadt zu. Bald war Muskau mit seinen öffentlichen und Privatgebäuden ein Schutt- und Aschen-Haufen. Die meisten, jetzigen Häuser Muskaus sind bald nach jenem Brande gebaut worden. Daß aber der Ort ein so nettes, freundliches Städtchen geworden ist, ist ein Verdienst der Grafen Johann und Herrmann von Callenberg. Sie standen den Bürgern mit Rath und That bei. Lang. S. 52. Den Abgebrannten wurde die kurfürstliche Baubegnadigung, nach welcher jeder, der nach dem Reglement baute, 15 Thlr. auf’s Hundert vergütet bekam. Herrmann von Callenberg hat selbst sieben ganz neue Häuser erbauen lassen. Lang. S. 20.
Es giebt ein Bild, welches Muskau vor dem Brande, im Jahre 1742 darstellt. Die Stadt ist von einem Punkte jenseit der Neiße, unweit der Brücke aufgenommen. Schritt man über jene Brücke, so stieß man zunächst auf die Neißschenke. Zwischen dem Wege von da nach der Stadt und der Straße, welche von dem Amtshause her nach der Neißmühle führte, dehnten sich Wiesen und Aecker aus. Ueber der Stadt und einigen Terassengärten der Bürger präsentirte sich das Dorf Berg auf dem Höhenzuge mit der alten Kapelle und dem herrschaftlichen Vorwerke, welches jetzt auf ein Gebäude reduzirt ist. Eins der größten Häuser der Neustadt war die Forstmeister-Wohnung. Das Schießhaus mit seiner Schußlinie in den Schluchten war damals am Ende der Schmelze. Es wurde später auf einer Anhöhe auf der nordwestlichen Seite der Stadt aufgeführt und nachdem es daselbst vom Feuer zerstört worden war, hat es unter dem jetzigen Herrn der Herrschaft seine gegenwärtige Gestaltung erhalten, in welcher es, von den Höhen jenseit der Neiße gesehen, in seiner Laubholz-Umgebung ein freundliches Bild gewährt. Der Thurm hat auf jenem Bilde der Stadt im Jahre 1742 noch sein Obertheil mit Haube und Spitze. Die Superintendentur brannte 1634, dann 1766 nieder und war 1775 wieder aufgeführt; das Archidiaconat, dessen Baukosten sich auf 1200 Thlr. beliefen, konnte erst 1803 vollendet werden. Die Schule stand einst seitwärts der Kaplanei. 1785 kaufte die Bürgerschaft ein Paar von der Herrschaft am Kirchhofe auf dem Burglehn erbaute Häuser und richtete dieselben zur Schule und Wohnung des Rectors und Kantors ein. Die wendische oder St. Andreas-Kirche ist öfters ab- und ausgebrannt. 1754 hatte sie der Graf Johann Alexander von Callenberg auf ihrem alten Grunde wieder aufführen lassen. Nach dem Brande 1766 sollte das neue Gotteshaus nach dem Willen Herrmanns von Callenberg, des Erbauers desselben, dem Rathhause gegenüber zu stehen kommen; aber die Wenden wollten nicht weichen von der alten Stätte ihres Tempels. Den 4. April 1781 wurde der Grundstein der Kirche gelegt, und am 27. November 1788 wurde sie feierlich eingeweiht. Der Riß des Gebäudes so wie des Frontons mit seinen vier dorischen Säulen ist von dem Grafen selbst entworfen worden, und das C. im[S. 74] sächsischen Rautenkranze der Kuppel erinnert an den, dessen Freude der Bau dieser Kirche war und der in ihr ruht. Das Rathhaus wurde 1556 gebaut. Erst den 29. September 1826 war es nach dem Brande wieder hergestellt. An diesem Tage Morgens 6 Uhr schlug die Uhr auf dem Thurme desselben zum ersten Male, und alsbald tönte der Choral: Nun danket Alle Gott &c. Eine Erinnerung an ein eingegangenes, einst blühendes Gewerk war das Gewandhaus neben dem Rathhause. Lang. S. 21. Die Thore der Stadt, das Köbelner und das Schmelzthor, sind verschwunden. In der Mitte des Marktes war nach dem Brande eine Barriere, an welcher Kastanienbäume standen. — 1799 zählte Muskau 191 Häuser, unter welchen 12 Burglehnhäuser und 96 brauberechtigte waren, und 1330 Einwohner, meist evangelische; s. Merkel Erdbeschreibung von Kursachsen VI., 74. Nach der statistischen Tabelle von 1856 hat der Ort 248 Wohnhäuser und über 2300 Einwohner. —
Wir wenden uns von der Stadt noch einmal zu dem Schlosse mit seinen früheren Umgebungen. Das Schloß bestand schon vordem aus einem Corps de Logis und zwei Flügeln. Es war ringsum von einem tiefen Graben umgeben, über welchen von Osten her eine Zugbrücke, eine andere von Süden her in dasselbe führte. Um die Gräben zog sich der mit Fruchtbäumen besetzte Wallgang. Nördlich vom Schlosse standen Gartenhäuser und ein Stück weiter das Fasanenhaus. Südlich vom Schlosse war das Amthaus mit dem Zobelsteine, das Wagenhaus, der Marstall, das neue Haus, das Schloßvorwerk mit den Scheunen, das neue Brauhaus. Dann folgten links davon die Gärtnerwohnung, das Waschhaus und andere Gebäude, welche die Straße zur Neißmühle bildeten. Noch stehet das Amthaus, ein uraltes Gebäude. Dort, vor demselben, wollte einst der Fürst dem sagenhaften Ahnherrn seines Geschlechtes, dem treuen Rüdiger von Pechlarn, jenem tapfern Recken des Nibelungenliedes, eine Reiterstatue weihen. — In der Nähe des Schlosses waren herrschaftliche Gärten. Unter den Anlagen sind zu nennen: die Lindenallee, von welcher noch einige herrliche Bäume übrig sind, der Kirchdamm, der Mühlendamm, der Clementinengang, welcher vom sel. Superint. Vogel in einer eigenen, kleinen Schrift[S. 75] beschrieben ist, und die seit 1784 an den Bergen angelegten Promenaden.
So war einst Muskau und seine Umgebung, als der Fürst seine Schöpfungen begann. Das Gebiet, welches ihm zum Canevas dienen sollte, hat er selbst in seinem Werke „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ näher beschrieben. Es bot ihm manchen Vortheil bei seinem Unternehmen. Dahin gehört der malerische Wurf des Bodens, der Wechsel von Berg und Thal, der schöne Fluß, die Fernsicht auf die schlesischen und oberlausitzischen Gebirge, das Vorhandensein vieler alter, prächtiger Bäume, namentlich von Eichen und Linden. Doch größer waren die zu überwindenden Schwierigkeiten. Es mußten mehr als 2000 Morgen Landes bisweilen für den drei- bis sechsfachen Werth der Grundstücke angekauft werden, und der sterile Boden, der namentlich in der Nähe des Schlosses aus Sand und eisenhartem Lehm bestand, war erst auf mancherlei Weise fruchtbar zu machen. Ein großes Hinderniß des Werkes waren die alten, beengenden Gebäude in der Nähe des Schlosses. Sie wurden sammt der Straße, welche zur Neißmühle führte, cassirt, und der einmal gefaßte Plan consequent und ohne Rücksicht durchgeführt. Das Wort des Dichters:
sollte auch hier Wahrheit werden.
Nachdem der Plan des Ganzen einmal fest stand, wurde das Werk seinen Hauptpartien nach fast gleichzeitig in Angriff genommen, dann folgte die Ausführung des Details. Der Park von Muskau ist kein Conglomerat einzelner, schöner Parthien; er ist ein einheitsvolles, harmonisches Ganze, und wie jede Gruppe desselben mit ihrer nächsten Umgebung meisterhaft vermittelt ist, so findet auch dieses Verhältniß zwischen den Haupttheilen des Parkes statt. Aber gerade in dieser Harmonie und Ruhe des Ganzen, so wie darin, daß die lokalen und historischen Voraussetzungen auf’s Beste benutzt und das Gegebene bereichert wurde, besteht der erhabene und ausgezeichnete Charakter der Schöpfungen des Fürsten. Sein Park ist eine[S. 76] Verklärung der heimathlichen Flur. — Es ist bewunderswerth, was hierin geleistet worden ist! Ja könnte das Sonst das Jetzt schauen, es würde kaum in ihm seinen blühenden Nachkommen erkennen! Da sind öde Sandflächen verschwunden und mit herrlichen Rasenteppichen überkleidet worden; da sind bodenlose Sümpfe ausgetrocknet und in liebliche Anlagen verwandelt worden; da hat sich um das Schloß der glatte, klare Wasserspiegel eines Sees mit seinen Buchten und Inseln gelegt, und wird das Wasser desselben abgelassen, so tauchen, wie Erinnerungen aus der Vergangenheit, die Grundmauern abgetragener Gebäude aus der Tiefe empor; da sind über den zugefüllten Schloßgräben prächtige Blumenstücke in deren einem, wie sonst das H, jetzt das F in den frischesten, glühendsten Farben der Blüthen gezeichnet ist; da sind überall herrliche Baumgruppen geschaffen, Wege und Gänge in schönen Windungen angelegt, Abgründe und Schluchten überbrückt, selbst die Häuser eines nahen Dorfes über die Neiße versetzt worden, da ist ein Pflanzen, ein Arbeiten, ein Ringen nach einem erhabenen Urbilde gewesen. Hunderte von Arbeitern hiesiger Gegend haben sich gemüht ob des Werkes Gelingen; über enormen Summen, einer erhabenen Idee zum Opfer gebracht, hat sich die Pracht und Schönheit entfaltet, die Schloß und Stadt umgiebt; Viele, welche an dem Kunstwerke arbeiteten, die sich seines Fortganges freuten, sind schlafen gegangen, und unter ihnen der Ehrenmann, der Jahre lang, unter mancher Schwierigkeit, des Meisters Pläne treu und mit vielem technischem Talent ausführte[C]; noch ist es dem Fürsten vergönnt, im hohen Alter, wie einst hier, so anderwärts, öden Strecken der Lausitz die höchste Schönheit und Verklärung zu bringen. —
Und so umgiebt der schöne Park mit seinen geschmückten Gärten das freundliche Städtchen, das Schloß. Er bildet ein harmonisches, erhabenes Ganze; er ist eine Objectivirung dessen, was ein reiches Gemüth, einen genialen, kräftigen Geist erfüllte, in und durch die Landschaft; er ist ein grünes, blühendes Denkmal des Fürsten, herrlicher als die in Stein und Erz. — Und er gleichet einem jener klassischen Musikwerke, in welchem sich[S. 77] der eine Grundton, die eine Grundmelodie in den verschiedensten Wendungen und Schattirungen aus einander legt und dennoch in jeder mächtig das Herz erhebt; er gleichet in seiner Einheit und reichen Mannigfaltigkeit einem herrlichen, mächtigen Dithyrambos der Alten, der scheinbar regellos, dennoch in seinen Theilen ein und dieselbe Macht wiederspiegelt, die glühendste Begeisterung für die Natur und ihre Schönheit; er gleichet einer Ode, einer Hymne, geschrieben zum Preise des Schöpfers. — Doch es gleichet der Park vor Allen einem herrlichen Gemälde. In hoher Begeisterung hat es der Meister entworfen, unübertrefflich hat er es ausgeführt; aber nicht er allein! Er hat sein Bild aus der Hand und den Kräften der Natur hingegeben zur Vollendung. Die Mächte der Natur haben es liebevoll aufgenommen und immer reicher gestaltet und entfaltet bis hierher. Und wie sie an demselben gearbeitet haben, so werden sie an demselben rastlos schaffen. Deshalb aber wird die Pracht jenes Landschaftsbildes, das da vollendet und dennoch in stetem Werden ist, nie bis zu Ende erzählt werden, deshalb wird es immer neue Reize entfalten. Jeder neue Lenz mit seinen frischen Trieben, mit seinem jungen Grün, mit seinen Leben weckenden Sonnenstrahlen ist auch ein neuer Commentar zu des Werkes Herrlichkeit; jeder Herbst mit seiner Blätterfärbung bringt dem Bilde neue, eigenthümliche Züge; jeder Sonnenauf- und -Untergang, jede Mondschein-Nacht giebt ihm besondere Reize; ohn’ Aufhören arbeitet und webt und gestaltet es sich in dem grünen Reviere nach den Gesetzen der Schönheit; unerschöpflich an lieblichen Bildern ist dies Naturgedicht, und wunderbar treffen seine Töne das Gemüth.
In das herrliche Gemälde des Fürsten, in sein schönes, lebendes Bild, ist Muskau hineingezeichnet worden. Der Blick von dem Jetzt auf das Sonst zeigt uns die Verschiedenheit beider und den Triumph des Ersteren über das Letztere.
Herrn der Herrschaft: Ditericus de Muzcowe um 1258, s. Stenzel: Urk. z. Gesch. des Bisth. Bresl. S. 20. — Hanke v. Muskow — s. Sommersberg III, 142 — ist wohl Heinrich v. Kittlitz. — Botho v. Ileburg um 1360. Er hatte eine Schwester Heilwich, welche mit Heinrich v. Kittlitz vermählt war. Dieser erhielt Muskau, Schloß und Zugehör, als Brautschatz der Heilwich, und Kaiser Karl IV. bestätigte[S. 78] den Vertrag zu Nürnberg 1361, Mittw. nach Miser. Dom. S. Verz. oberl. Urk. I, 374. Scheltz: Gesch. d. Ober- u. Niederl. I, 497. Einer seiner Söhne, Johann, war Bisch. zu Meißen, ein anderer, Otto, v. 1406–1410 Landvoigt der Oberl. — Hans v. Penzig ist 1389 im Besitze der Herrsch. — Er hatte viel Streit mit denen von Hakeborn auf Priebus u. Anderen. — Hans v. Penzig zu Musca „der Junge“ ist wahrscheinlich des eben Genannten Sohn. Als 1427 ein starkes Heer gegen die Hussiten zog, wohnte er, wie auch 1428, der Heerfahrt bei. — Nickel u. Christoph v. Penzig werden 1441 zuerst genannt. — Im Jahre 1452 veräußerten die v. Penzig Muskau an Wenzeslaus v. Bieberstein, welcher Muskau den 29. Sept. 1452 mit Stadtgerechtigkeit begnadet. Er hatte im Verein mit Anderen gegen die Anhänger des Königs Georg Podiebrad zu kämpfen, welche der Umgegend von Muskau viel Schaden zufügten. Zwei derselben, Friedrich v. Schönberg u. Melchior v. Löben wehrten sich in Hoyerswerda 11 Monate lang. — Nach Wenzels Tode 1471 ist im Besitze Muskau sein Sohn Johann V. v. Bieberstein bis 1490, dann dessen Bruder Ulrich V. v. Bieberstein, welcher 1519 starb. — Siegmund v. Bieberstein starb 1545 zu Prag ohne Leibeserben. — Die Herrschaft kam an seinen Bruder Hieronymus v. Bieberstein, welcher den 30. Juni 1549 ohne männliche Erben starb. — Die Brüder desselben, Johann u. Christoph v. Bieberstein, übernehmen Muskau; doch ist der Letztere bald alleiniger Herr derselben. In seiner Jugend fanatischer Katholik, wurde er durch die Bekanntschaft mit dem Superintendenten zu Sorau, M. Joachim Belitz, ein treuer Anhänger der evang. Lehre bis zu seinem Tode den 15. December 1551. — Kaiser Ferdinand I. nahm die Herrschaft als heimgefallenes Lehen in Besitz. — Adam oder Tham Pflugk ist wohl nur kaiserl. Administrator derselben gewesen. — Georg Friedrich, Markgraf zu Brandenburg-Anspach hat Muskau v. 1552–1554 pfandweise besessen und, als die Pfandsumme nicht eingelöst wurde, 1556 abermals Besitz ergriffen bis 1558. — Fabian v. Schönaich erkaufte 1558 den 23. April die Herrsch. Muskau v. Kaiser Ferdinand I. für 45000 Gld. — Hans Georg v. Schönaich kommt 1572 als Herr v. Muskau vor. Er starb den 28. Juni 1587, wahrscheinl. kinderlos, weshalb sein Oheim, Fabian v. Schönaich, wieder Besitzer von Muskau wurde. — Kaiser Rudolph II. nahm Muskau als heimgefallenes Lehen ein — nach der Consignation der Musk. Privilegien schon am 19. Aug. 1589. — Wilhelm, Burggraf zu Dohna, soll schon den 22. Mai 1595 die Herrsch. von den kaiserlichen Commissarien übernommen, der Kauf selbst aber 1596 zu Stande gekommen sein. Das Kaufinstrument ist erst vom 17. Nov. 1597. Seine Gemahlin Catharina, geb. Burggräfin zu Dohna a. d. H. Carschen starb den 5. Mai 1609; er selbst den 24. Octbr. 1606. Kinder: Elisabeth, Wilhelm, Otto, Caspar, welche jung starben, und Carl Christoph, Burggraf zu Dohna. Dieser besaß Muskau bis zu seinem Tode den 4. Jan. 1625. Seine Gemahlin war Ursula Brigitta von der Schulenburg. Kinder: Caspar Wilhelm, welcher nur einige Monate alt wurde, und Ursula Catha[S. 79]rina. Die Vormünder derselben, Sigismund u. Seyfried v. Kittlitz veranlaßten die Verwandlung der Herrsch. aus Lehn in Erbe. Carpz. Ehrent. II, 30. Den 11. Decbr. 1644 vermählte sie sich mit Curt Reinicke v. Callenberg, Herrn auf Wettesingen u. Westheim, Landvoigt der Oberl., gest. 7. Mai 1672. Kinder: Herrmann, Cath. Eleonore, Carl Christoph, welche den Eltern im Tode vorangingen, u. Curt Reinicke II. Reichsgraf v. Callenb., gest. den 20. April 1709. Gemahlin: Ursula Regina Freiin v. Friesen. Sechszehn Kinder, s. S. 28. Johann Alexander, Reichsgraf v. Callenberg, gest. 13. Febr. 1776. Gemahlin: Helene Mariane Charlotte, Tochter des Grafen G. F. v. Tenczin; dann Rahel Louise Henriette, Tochter Georgs, Reichsgraf v. Werthern. Vier Kinder aus zweiter Ehe, s. S. 30. — Georg Alexander Heinrich Herrmann, Reichsgraf v. Callenberg, gest. 4. Mai 1795.
Ludwig Carl Hans Erdmann, Reichsgraf v. Pückler, gest. 16. Jan. 1811. August Heinrich, Reichsgraf v. Pückler, gest. 9. Febr. 1810, Administrator der Herrschaft.
Ludwig Heinrich Herrmann, Fürst v. Pückler-Muskau. — Die Grafen Nostitz und Hatzfeld. —
Wilhelm Friedrich Carl, Prinz der Niederlande.
[C] Jacob Heinrich Rehder, des Fürsten hochverdienter Garteninspector.
Anm. d. Herausgebers.
Oft hat es geheißen, Muskau sei verkauft worden. Der Kauf der Standesherrschaft mit ihrem herrlichen Park, dessen Erhaltung die innige Liebe zur Natur und Kunst voraussetzt, war nicht für Jeden. Während der langen Verhandlungen mit verschiedenen Käufern hat der Fürst noch über 100000 Thaler auf seine Anlagen und die Bauten verwendet in beständiger Liebe zu seiner Idee, zu seinem Werke. Welches Loos aber wird dir werden, parkumschlossenes Muskau? frug damals so Mancher, dem in den Schöpfungen des Fürsten die freudigste Erhebung geworden war, und ein Wort der Befürchtung, das einst der Gründer des Parks in der Sorge um sein Werk gesprochen, trat in die Seele. Es heißt: Tutti Frutti I, 135.
„Noch einmal berührte mich mit magischem Stabe der Zauberer. Ich erblickte die Fluren wieder, deren Verschönerung ich den besten Theil meines Lebens gewidmet. Was seh’ ich? Schiffbar ist der Fluß geworden, der meinen Park durchströmt; aber Holzhöfe, Bleichen, Tuchbahnen, nützliche Dinge, nehmen[S. 80] die Stelle meiner blumigen Wiesen, meiner dunklen Haine ein! Das Schloß — darf ich meinen Augen trauen? — beim Himmel! es ist in eine Spinnanstalt umgeschaffen. „Wo wohnt der Herr?“ ruf’ ich ungeduldig aus. — „In jenem kleinen Hause, das ein Obst- und Gemüsegarten umgiebt“ tönet die Antwort. „Und gehört meinem Urenkel denn das Alles nicht mehr, was ich einst mein nannte?“ „O nein, das hat sich mit der Zeit wohl unter hundert verschiedene Besitzer vertheilt. Wie könnte Einer so viel haben und Freiheit und Gleichheit bestehen!“ —
Reiches, frisches Grün schmücket den Park. Das Grün ist ein Sinnbild der Hoffnung, die erst mit dem Leben scheidet. Das Grün der Haine des Parks war ein Sinnbild, ein Unterpfand der fröhlichen Hoffnung auf seine Erhaltung.“ —
Wiederum nahte der liebliche Frühling der heimathlichen Lausitz, und das fröhliche Osterfest kam heran. Doch schüchterner als sonst öffnete sich das Auge des Baumes, dem Lenze entgegen zu schauen, langsamer schwoll die Knospe, es säumte das Reis in seinem Wuchse, und es zögerte das Jahr, neue, herrliche Parkbilder zu zeichnen. Wie Furcht und bange Erwartung, welche freudige Gefühle des Herzens fesselt, war es allenthalben in der erstehenden Natur. Der Würfel fiel. Muskau wurde verkauft. An des Lenzes Grenze verließ 1845 der Fürst seiner Väter Schloß, seine Herrschaft, seinen herrlichen Park. — So muß oft der Mensch von dem, was er geschaffen, grade da scheiden, wo es ihm einen neuen Genuß, eine reiche Freude nach vielen Mühen gewähren soll! Düsteres Gewölk trübte den Himmel und verhüllte dem Scheidenden an der Grenze seiner Herrschaft den Blick nach rückwärts. Dort waren die Räume seiner Kindheit, die Stätten hoher Freuden, dort waren die Fluren, in deren Verherrlichung und Verklärung ihm ein reiches, immer neues Glück geworden war. — Doch zu dem Scheidenden gesellte sich eine Freundin — die Erinnerung. Frei von allem Mangelhaften, dem Loose des Irdischen, herrlich verklärt führt sie die Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft hinein; die Welt, die uns einst umgab, in der wir[S. 81] wirkten und schafften, der wir das Gepräge unseres Geistes und Herzens gaben, ist wiederum so ganz unsere eigene geworden — sie ist in unserm Innern und dort schöner als je.
Von den Grafen Hatzfeld und Nostitz ging die Standesherrschaft, welche in dem Laufe der Jahrhunderte auch den Kaisern Ferdinand I. und Rudolph II., sowie dem Markgrafen zu Brandenburg-Anspach, Georg Friedrich, gehört hatte, bald über an Wilhelm Friedrich Karl, Prinzen der Niederlande, Gemahl der Prinzessin Louise Auguste Wilhelmine Amalie, der Tochter der unvergeßlichen Königin von Preußen, Louise. — Die Acquisitation der Standesherrschaft durch einen Prinzen aus dem glorreichen, hochherzigen Hause Nassau-Oranien ist eine That, welche Muskau zu hohem Segen gereichte, sie ist aber auch eine That, gethan aus Liebe zu der Schönheit der Natur, zum Schutze der Kunst, des Idealen gegen den Materialismus und die Prosa der Zeit.
Das Jahr hatte bereits die Hälfte seiner Bahn zurückgelegt und die Fülle seiner Pracht und seines Schmuckes ausgetheilt. Im Juni 1846 kam der königliche Prinz in seine neue Standesherrschaft und den 19. August hielt er mit seiner hohen Familie seinen feierlichen Einzug in dieselbe. Wohl waltete da allenthalben hohe festliche Freude; aber es war, als theilte sie mitfühlend des Parks herrliches Revier. Reicher breiteten sich die grünen, blumigten Teppiche der Wiesen aus; feierlicher erhoben sich die Hallen der Haine; wie zur Huldigung traten aus der Tiefe des schönen Ganzen die lieblichen Gruppen hervor; ein Urbild aus dem Reiche des Schönen, geschaut einst in heiliger Osternacht, verwirklicht durch den fürstlichen Meister, grüßte innigst seinen neuen, königlichen Herrn. Und wie geheimes Wehen erging in feierlicher Stunde aus der verklärten Natur ein Wort an den, dem sie in ihrer Schönheit huldigte, das Wort: Gestatte mir, o Herr dieser Fluren, mir, der es nicht vergönnt ist, sich selbst zu schauen, daß ich in deinem Auge mich spiegle! Laß mich dir werden eine Quelle stiller, reiner Freuden! Schütze und schirme mich in meinem Weben und Schaffen nach den Gesetzen der Schönheit bis in die ferneste[S. 82] Zeit hinaus! Wie jeder Lenz mir frisches Grün bringt, so spende dir jedes Jahr hohes Lebensglück, und meiner tausendjährigen Eichen majestätische Pracht sei eine Weissagung auf deines Hauses immer währende Herrlichkeit! —
Auch die Natur ist ein Buch der Offenbarung unseres Gottes. Seine Ehre verkündet der Blume Farben-Pracht, der Wiese frisches Grün, Baumes fröhliches Wachsen, und hoch in Andacht und Freude schlägt des Christen Herz, wenn er in dieser wunderbaren, herrlichen Schrift liest. In der verklärten Natur, welche das lausitzer Muskau umgiebt, tritt ein altes, heiliges Wort des Lobes und Preises und Dankes in unsere Seele: „Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen — auch auf dieser Flur!“ Ps. 8, 1.
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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. 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